Die Ankunft
Dämon«, antwortete Aurelius. »Die Fremden sind seltsam, das gebe ich zu. Sie sind mächtig, oh ja, und so stellen sie sicher eine Gefahr für unsere Sicherheit dar, denn wenn wir sie verärgern, können sie allein mit der Macht ihrer Waffen Ravenna in Schutt und Asche legen. Aber sie sind allein, das habe ich deutlich gespürt. Sie suchen eine Heimat, so wie die Goten im Osten. Dämonen sind sie nicht. Alle sind Christen, davon habe ich mich überzeugen können. Sie haben einen Gottesdienst abgehalten, in ihrer fremden Zunge, aber es war nicht zu verkennen. Dämonen sind das nicht, Navarch. Ich denke, sie sind eine Chance.«
Renna drehte sich um und sah seinem Untergebenen offen ins Gesicht.
»Eine Chance wofür?«
Aurelius schien zu zögern. Renna wartete einen Moment, dann seufzte er. Er stellte sich neben den Kapitän, legte ihm eine Hand auf die Schulter und beugte sich zu ihm nach vorne.
»Rede offen mit mir, Trierarch. Was auch immer du zu sagen hast, es wird diese vier Wände nicht verlassen. Wir sind doch bisher ganz offen miteinander umgegangen. Du bist einer meiner fähigsten Männer, mit einem klaren Blick für die Realitäten. Wenn ich mir nicht anhören möchte, was du mir mitteilen willst, auf wen soll ich dann hören?«
Aurelius gab sich einen Ruck.
»Wir stehen vor großen Problemen. Die Steuerlast saugt den letzten Rest Blut aus dem Volk. Meine Söhne sind unfrei, obgleich sie römische Bürger sind, müssen sie in den Kriegsdienst wie auch ich, ohne dass sie jemand fragt. Die Münzen, die man uns zum Solde gibt, sind gestreckt, Silber ist kein Silber mehr und Gold kein Gold. Jedes Jahr drängen neue Barbarenfluten über die Grenze, und jedes Jahr verlieren wir mehr Legionäre, die wir nicht ersetzen können. Die Senatoren und Landeigner stopfen sich die Taschen voll, während die einstmals freien Bauern sich als Pächter verdingen müssen. Korruption gibt es allenthalben. Jene, die es sich leisten können, kaufen sich von allen Verpflichtungen frei. Die Kirche, Gott sei mir gnädig, ist von allen Steuern befreit und sät durch ihren ständigen Streit Unfrieden im ganzen Reich. Ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird, und ich weiß nicht, was der Anlass sein wird, aber ich bin kein Narr. Mein Vater hat mich zur Schule geschickt, und obgleich ich wusste, dass ich zur Marine gehe, habe ich gelernt. Und ich ahne, dass das Reich früher oder später dem Untergang geweiht ist, wenn nicht etwas geschieht. Die Armee kann das Reich nicht ewig zusammenhalten. Es muss sich etwas ändern.«
Renna schnaubte. »Das hat schon Diokletian gesagt. Er hat die entsprechenden Gesetze erlassen.«
»Er hat auch das Reich in vier Teile gespalten und unfähige Söhne gezeugt«, gab Aurelius nun furchtlos zurück. »Wenn wir bestehen wollen, müssen wir neue Wege gehen. Wir brauchen größere Macht, wo unsere Zahl schwindet. Ich habe gesehen, wozu diese Fremden fähig sind. Bei Gott, mir ist egal, woher sie kommen. Sie haben mein Schiff versenkt! Freunde von mir starben in den Fluten! Dennoch, wenn wir sie nur irgendwie für uns gewinnen können, wenn der Ewige Imperator erkennt, welchen Nutzen sie haben – dann will ich ihnen dies vergessen und vergeben.«
Aurelius hielt inne, schwieg, sah Renna auffordernd an. Dieser nickte gemessen. Er ließ von Africanus ab und wanderte einige Minuten in Gedanken versunken durch den Raum. Dann blieb er vor der großen Wandkarte stehen und betrachtete sie, als würde das Studium ihm neue Erkenntnisse bescheren. Schließlich wandte er sich wieder dem Trierarchen zu, der geduldig gewartet hatte. Einen Mann wie Renna drängte man nicht.
»Ich habe ähnliche Gedanken«, sagte der Navarch leise. »Aber du siehst auch die Gefahr. Was der Bischof mir verschwiegen geflüstert hat, kann morgen durch die Priesterschaft gehen wie ein Lauffeuer. Du weißt, wie die Mönche sind. Wenn sie einmal aufgestachelt werden, brennen sie alles nieder, zerstören und vernichten im Namen Gottes und sind bereit, ihr eigenes Leben ohne Rücksicht für ihren Glauben zu opfern. Noch warten sie ab, warten darauf, dass der Kaiser endgültig die alten Religionen verbietet, sodass sie die Tempel niederreißen können und die Priester vertreiben oder töten.«
Aurelius sagte nichts. Er war Christ, Arianer, was man hier im Westen besser nicht allzu laut sagte. Renna war, das war bekannt, Anhänger des Mithras, wie noch viele in den Streitkräften, ob offen oder verborgen. Religion war ein Thema, das beide immer
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