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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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»Schnell wie der Wind, deshalb waren wir die Vorausabteilung. Gratians Truppen müssen schon auf dem Weg sein. Wenn wir nur einige wenige Wochen warten würden …«
Victor schnaubte.
»Vergiss es. Bleib in meiner Nähe. Vielleicht können wir das Blatt noch wenden!« Victors Zuversicht wirkte erkennbar gezwungen, doch Richomer widersprach ihm nicht.
Es war besser als gar nichts.
Am anderen Ende des Lagers inspizierte Sebastianus Truppen. Man konnte seine lauten Scherze und das Gelächter bis hierher hören. Sebastianus hatte eine ansteckend freundliche Art, was es besonders schwer machte, ihm zu widersprechen. Er war bei den einfachen Legionären ebenso beliebt wie bei den Hilfstruppen und den Offizieren, und er sorgte dafür, dass der Sold regelmäßig ausbezahlt wurde und alle ihre Rationen bekamen. Richomer wäre mit Freude unter seinem Kommando in die Schlacht gezogen, wäre da nicht dieser nagende Zweifel gewesen, der ihn alles andere als enthusiastisch machte. Egal, in welchen Gewaltmärschen Gratian seine Truppen auch würde vorantreiben können – und ob er die Alemannen unter Kontrolle hatte, wusste Richomer zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht –, es würden noch viele Tage vergehen, bis die beiden Feldarmeen in der Lage sein würden, koordiniert gegen die Goten vorzugehen.
»Nicht, dass es keine größeren Probleme geben würde«, knurrte der Offizier leise. Victor horchte auf.
»Ich weiß, was du meinst, mein Freund«, erwiderte er. »Es gibt schließlich einen Grund dafür, dass die Goten zu uns gekommen sind und um Siedlungsraum gebeten haben.«
Beide warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu. Als die Goten an die Grenzen des Reiches geflohen waren, hatte es ganz und gar nicht nach Krieg ausgesehen. Sie hatten Verhandlungen begonnen, um Ansiedlung gebeten und dafür versprochen, dem Reich zu dienen. Für Rom bedeutete das nur Vorteile: Es gab viele Landstriche, die deutlich unterbevölkert waren, und die Personalknappheit der Streitkräfte hatte massive Ausmaße angenommen. Mittlerweile erhielt jeder Sklave, der einen Deserteur verriet, sofort seine Freiheit. Wer Sohn eines Soldaten war, wurde gesetzlich verpflichtet, selbst einer zu werden, und hatte keine freie Wahl mehr. Das Reich wurde von vielen Seiten bedrängt: Alemannen, Goten, das erstarkende Persische Reich … Es waren zu viele Löcher zu stopfen, mit zu wenig flexiblen Truppen, die nicht in den Grenzgarnisonen festlagen. Hätten die zuständigen Verwalter und Offiziere den Donauübergang und die Versorgung der Flüchtlinge nicht völlig verpatzt, wäre Richomer nicht hier und müsste er nicht mit Victor düstere Prognosen entwickeln.
»Die Goten selbst erzählen schreckliche Dinge über das, was weiter im Osten stattfindet«, meinte Victor nun. »Ich weiß nicht, was davon Wahrheit oder Gerücht ist, aber die Horden, die über sie hergefallen sind, müssen riesige Ausmaße gehabt haben.«
»Wahrheit genug, um ein ganzes Volk zur Flucht zu bewegen«, kommentierte Richomer trocken. Sie hatten die Zelte erreicht, in denen die Offiziere nächtigten. »Ich befürchte, der Kampf gegen die Goten ist erst der Anfang. Und das ist ein Grund mehr, die eigenen Kräfte nicht in sinnloser Suche nach schnellem Ruhm zu riskieren, sondern stattdessen wohlüberlegt und auf der Basis realistischer Einschätzung vorzugehen.«
»Ich werde dir nicht widersprechen.«
Victor hielt ihm die Hand hin. »Ich muss zu meinen Männern. Wir sehen uns, mein Freund.«
Richomer blickte ihm nach. Das Gefühl von Hilflosigkeit, das ihn mit einem Male befiel, war er ganz und gar nicht gewöhnt. Er beschattete seine Augen und blickte in den sommerlichen Himmel.
Das würde nicht gut gehen, davon war er überzeugt.

13

    »Setz dich, Aurelius!«
Navarch Renna wies dem Offizier einen Schemel zu, blieb selber stehen und blickte auf die große Wandkarte, die das Römische Reich in seinen aktuellen Grenzen zeigte – oder zumindest in denen, von denen man zurzeit annahm, dass es die Grenzen waren. Man konnte sich niemals wirklich sicher sein.
Africanus folgte der Aufforderung und hockte sich hin. Auf einem kleinen Tisch standen eine Karaffe mit Wein sowie eine Schüssel mit Obst. Der Trierarch ignorierte beides.
»Erzähl mir, Aurelius. Haben wir da eine Gefahr für unsere Sicherheit in unserem Hafen? Der Bischof meinte gestern hinter vorgehaltener Hand, das Schiff sei ein Werk von Dämonen und man solle einen Exorzismus in Erwägung ziehen.«
»Der Bischof redet selbst wie ein

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