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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht den Unterschied zwischen der Befragung eines gesunden und derselben Befragung eines nachweislich geistesgestörten Menschen.
    Das Treppenhaus erinnerte sie ein wenig an einige der Wohnheime in Harvard. Ihre Schritte hallten auf dem Beton der Stufen wider, und sie war sich ganz plötzlich bewusst, dass sie an einem einsamen Ort allein war. Die schrecklichen Erinnerungen durchzuckten sie wie ein Schlag, und sie hielt abrupt den Atem an. Dann ließ sie die warme Luft aus ihren Lungen entweichen, als könnte sie damit die Eisschicht auftauen, die seither ihre Gefühle überzogen hatte. Einen Moment lang sah sie sich in wilder Panik um und konnte den Gedanken:
das hab ich schon einmal durchgemacht,
nicht loswerden, um jedoch im nächsten Moment ihre Ängste abzuschütteln. Es gab keine Fenster, und kein Laut drang von draußen hier herein. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag wurde sie von Geräuschen überrascht. Das erste Mal war es die plötzliche Erkenntnis, dass eine unablässige Kakophonie die Klinik erfüllte. Stöhnen, Schreien, Pfeifen und Gemurmel. Sie hatte sich recht schnell an den ständigen Lärmpegel gewöhnt. Sie blieb abrupt stehen.
    Stille, wurde ihr bewusst, kann genauso beunruhigend sein wie ein Schrei.
    Ringsum verstummten die Echos, und sie lauschte auf ihr eigenes raues Keuchen. Sie wartete, bis völlige Stille herrschte, dann lehnte sie sich über das schwarze Eisengeländer und sah nach unten und nach oben, um sicherzugehen, dass sie allein war. Sie konnte niemanden sehen. Das Treppenhaus war gut ausgeleuchtet, und es gab keine schattigen Winkel, in denen sich jemand verstecken konnte. Sie wartete noch eine Weile, um das Gefühl der Enge abzuschütteln, das sie plötzlich überkam. Ihr schien, als kämen die Wände kaum merklich auf sie zu. Es war kalt im Treppenhaus, was darauf schließen ließ, dass die Heizung im Schlaftrakt nicht bis hierher durchdrang, und sie zitterte und fand, dass das vollkommen fehl am Platz war, weil sie merkte, wie ihr der Schweiß über den Rücken rann.
    Lucy schüttelte den Kopf, als könnte sie durch eine energische Bewegung dieses Gefühl besiegen. Sie führte ihre klammen Handflächen auf die Situation in der Anstalt und auf ihre Rolle hier zurück. Sie versicherte sich, dass ihr Status als einer der wenigen geistig normalen Menschen weit und breit zweifellos dazu angetan war, sie nervös zu machen, und dass einfach all die Eindrücke, die in den wenigen Tagen seit ihrer Ankunft hier auf sie eingestürmt waren, sie in diesem Moment überwältigten.
    Während sie ein zweites Mal tief durchatmete, schabte sie mit dem Fuß über den Boden und verursachte ein kratzendes Geräusch, wie um ein Gefühl der Normalität, der Selbstverständlichkeit in diesem Treppenhaus heraufzubeschwören.
    Doch bei dem Geräusch, das sie machte, lief es ihr kalt den Rücken herunter.
    Die Erinnerung brannte wie Säure.
    Lucy schluckte schwer und rief sich ins Gedächtnis, dass sie es sich strikt zur Regel gemacht hatte, nicht bei dem zu verweilen, was ihr vor so vielen Jahren widerfahren war. Es brachte nichts, den Schmerz noch einmal zu durchleben, die Angst erneut zu spüren oder eine derart tiefe Verletzung noch einmal vor Augen zu haben. Sie erinnerte sich an das Mantra, das sie sich nach dem Angriff angewöhnt hatte:
Du bleibst nur so lange Opfer, wie du es zulässt.
Unwillkürlich wollte sie sich mit der Hand an die vernarbte Wange fassen, woran sie aber der Karton hinderte, den sie immer noch trug. Die Stelle, an der sie verletzt worden war, fühlte sich an, als ob die Narbe glühte, und sie spürte förmlich wieder, wie sich in der Notaufnahme die aufgetrennten Hautlappen unter der Naht des Chirurgen schlossen. Eine Schwester hatte sie leise beruhigt, und zwei Detectives, ein Mann und eine Frau, hatten hinter dem weißen, bodenlangen Vorhang gewartet, während die Ärzte sich zuerst der offensichtlichen blutenden Wunden annahmen und dann der schwereren inneren Verletzungen. Zum ersten Mal hörte sie damals den Begriff
rape kit
für das ganze Programm, das auf eine Vergewaltigung folgte, nicht aber zum letzten Mal; und binnen weniger Jahre wusste sie nicht nur aus persönlicher, sondern auch beruflicher Erfahrung, was es damit auf sich hatte. Sie atmete noch einmal tief durch. Die schlimmste Nacht ihres Lebens hatte in einem Treppenhaus ganz ähnlich diesem hier angefangen. Doch so schnell sich dieser Gedanken einstellte, verbannte sie ihn auch wieder aus dem Kopf.
    Ich bin

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