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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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seinem Körper spannte sich an und entspannte sich ebenso schnell, als er tief einatmete und merkte, dass der Geruch, der ihm in die Nase stieg, genau so Einbildung war wie die Halluzinationen, die Francis oder Nappy plagten, oder auch die besonders schlimmen, die Lanky heimgesucht hatten.
    Manchmal kam es ihm so vor, als hätte sein ganzes Leben unter dem Zeichen von Gerüchen gestanden. Bier-und Whiskey-Gerüche, die sein Vater verbreitete und die sich mit dem Gestank von getrocknetem Schweiß und Dreck von der Arbeit an der einen oder anderen Baustelle vermischten. Manchmal, wenn er irgendwelche schweren Maschinen repariert hatte, brachte sein Vater auch einen starken Dieselgeruch mit nach Hause, und wenn man seinen Kopf an der Brust des hünenhaften Mannes vergrub, atmete man den abgestandenen Geruch der vielen Zigaretten ein, die ihn schließlich das Leben kosteten. Seine Mutter dagegen roch stets nach der Kamille, mit der sie bei der vielen Wäsche, die sie in Heimarbeit übernahm, gegen die Laugen kämpfte. Zuweilen konnte er unter den Seifendüften, die sie liebte, noch einen Hauch Bleichmittel riechen. Sonntags roch sie, sauber geschrubbt, weitaus besser. Dann hatte sie, bevor sie im Sonntagsstaat zum Kirchgang aufbrach, einige Zeit mit Backen in der Küche zugebracht, so dass sich ein erdiger Brotgeruch mit der hartnäckigen Reinlichkeit vermengte, als wäre genau diese Kombination Gott wohlgefällig. Kirche verband er mit steifen Kleidern unter der weißgoldenen Robe des Messdieners und mit Weihrauch, der ihn manchmal zum Niesen brachte. So lebhaft war die Erinnerung an all diese Düfte, dass sie hier in der Klinik immer noch fast mit Händen zu greifen waren.
    Der Krieg hatte eine ganze Welt neuer Gerüche eröffnet. Schwere Dschungelgerüche nach Vegetation und Hitze, nach Kordit und weißem Phosphor der Feuergefechte. Feuchtkalter Geruch von Rauch und Napalm in der Ferne, der sich mit den klaustrophobischen Gerüchen des Gebüschs verband, in dem er sich verfing. Er gewöhnte sich an die Gerüche von Blut, Erbrochenem und Fäkalien, die sich so oft in das Sterben mischten. Und dann die exotischen Essensdüfte in den Dörfern, durch die sie kamen, und die gefährlichen Gerüche nach Sumpf und überfluteten Feldern, an denen sie sich vorbeimanövrierten. Dann gab es noch den beißenden, vertrauten Gestank von Marihuana bei ihrer Rückkehr in die Basislager und den beißenden Geruch von Reinigungsmittel für die Waffen, der einem in den Augen brannte. Es war ein Ort unbekannter und beunruhigender Gerüche.
    Nach seiner Rückkehr hatte er gelernt, dass Feuer in all seinen Stadien und Erscheinungsformen Dutzende verschiedener Gerüche hatte. Holzfeuer unterschieden sich von chemischen Bränden, die wiederum wenig Ähnlichkeit mit dem Geruch des Feuers hatte, das Beton ausbrannte. Die ersten Funken, die ersten aufflackernden Flammen rochen anders als ein lodernder Brand, wenn er zum Höhepunkt kam, und wieder anders als ein knisterndes Feuer, das mächtig genug war, sich ungehindert weiterzufressen. Dies alles unterschied sich von den Ausdünstungen verkohlter Balken und verbogenen Metalls, nachdem die Flammen eingedämmt und bezwungen waren. Das war auch die Zeit, als er den unverwechselbaren Geruch der Erschöpfung kennen lernte, als ob müde Knochen einen eigenen Gestank produzierten. Als er mit der Ausbildung zum Brandstiftungsermittler begonnen hatte, gehörte zu den ersten Dingen, die sie ihm beibrachten, wie man seine Nase benutzte, da Benzin als Zündstoff für ein Feuer anders roch als Kerosin, und das wieder vollkommen anders als all die anderen Möglichkeiten, Verwüstungen anzurichten. Einige Gerüche waren subtil, mit schwer zu definierenden Duftnoten, andere dagegen offensichtlich und amateurhaft, so dass man schon beim ersten Betreten der Trümmerreste darüber stolperte.
    Als es Zeit war, seinen eigenen Brand zu legen, hatte er einfaches Benzin benutzt, das er an einer kaum eine Meile entfernten Tankstelle mit seiner eigenen Kreditkarte kaufte. Er wollte vermeiden, dass irgendjemand irgendwelche Zweifel haben konnte, wer für dieses spezielle Feuer verantwortlich war.
    Im Halbdunkel des Schlafsaals schüttelte Peter the Fireman den Kopf, auch wenn er nicht recht wusste, was er damit verneinte. In jener Nacht hatte er seine mörderische Wut gezähmt und einfach alles, was er gelernt hatte – wie man die Brandursache vertuscht, wie man mit Vorsicht und Raffinesse zu Werke ging – unbeachtet

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