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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Frustration. Er biss die Zähne zusammen und glaubte tief in seinem Innern, ihm sei es wohl für den Rest seines Lebens bestimmt, dass das, was er wirklich wollte, unerreichbar hinter einer verschlossenen Tür verborgen war.
    Das schwache Licht, die schattenhafte Dunkelheit, das dicke Glas hatten sich alle miteinander verschworen, ihm die Züge dieses Gesichts vorzuenthalten. Das Einzige, was er sich einprägen konnte, war der wilde Ausdruck in den Augen, die ihn beobachtet hatten. Dieser Blick war kompromisslos und böse gewesen, und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass Lanky vielleicht mit all seinen beschwörenden Worten und flehentlichen Bitten auf seltsame Weise Recht behalten hatte. Etwas Böses hatte sich ungebeten in die Klinik eingeschlichen, und Peter wusste, dass dieses Böse alles über ihn wusste. Er versuchte, sich einzureden, dass es ein Zeichen von Stärke war, dies zu begreifen. Doch er hegte den Verdacht, dass er sich da einen blauen Dunst vormachte.

15
    Als es Mittag wurde, war ich erschöpft. Zu wenig Schlaf. Zu viele Bilder und Gedanken, die mir durch den Kopf zuckten und schwirrten.
    Ich legte eine kleine Pause ein, indem ich allein im Schneidersitz auf dem Boden saß und eine Zigarette rauchte. Ich hatte das Gefühl, dass die Wogen der abgestandenen, drückenden Hitze aus dem Tal den Engel vertrieben hatten. Wie aus einem Schauerroman entsprungen, war er eine Ausgeburt der Nacht. Sämtliche Mittagsgeräusche, die vom geschäftigen, städtischen Leben der Menschen zeugten – das Motorklopfen eines Lasters oder Busses, die ferne Polizeisirene, ein dumpfer Aufprall, wenn der Zeitungsjunge sein Bündel auf den Bürgersteig wirft, laut schwatzende Schulkinder auf dem Nachhauseweg –, hatten sich alle verbündet, um ihn zu vertreiben. Wir wussten beide, dass ich in den stillen Stunden um Mitternacht viel anfälliger für ihn war. Die Nacht bringt Zweifel mit sich. Die Dunkelheit sät Ängste. Ich rechnete mit seiner Rückkehr, sobald die Sonne floh. Die Pille zur wirkungsvollen Bekämpfung von Einsamkeit und Isolation am Ende eines Tages muss erst noch erfunden werden. Doch vorerst war ich sicher oder zumindest so sicher, wie ich es realistischerweise erwarten durfte. Egal, wie viele Schlösser und Riegel ich an meiner Tür hatte, sie konnten meine schlimmsten Ängste nicht aussperren. Bei der Erkenntnis musste ich laut lachen.
    Ich las den Text, der mir aus dem Stift geflossen war, noch einmal durch und dachte: Ich habe mir viel zu viele Freiheiten genommen. Peter the Fireman hatte mich am nächsten Morgen kurz nach dem Frühstück beiseite gezogen und mir zugeflüstert: »Ich hab jemanden gesehen. Im Guckfenster der Schlafsaaltür. Er hat reingestarrt, als ob er nach einem von uns suchte. Ich konnte nicht schlafen, und wie ich da in meinem Bett lag, hatte ich das Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Als ich hochschaute, hab ich ihn gesehen.«
    »Und hast du ihn erkannt?«, fragte ich.
    »Keine Chance.« Peter hatte langsam den Kopf geschüttelt. »Nur eine Sekunde war er da, und dann, als ich aus dem Bett stürmte, war er verschwunden. Ich bin ans Fenster gegangen und habe rausgespäht, konnte aber niemand sehen.«
    »Was ist mit der diensthabenden Schwester?«
    »Die konnte ich auch nicht sehen.«
    »Wo war sie denn?«
    »Ich weiß nicht. Auf der Toilette? Vielleicht hat sie einen kleinen Spaziergang gemacht? Vielleicht war sie oben und hat mit der Kollegin dort geplaudert? Oder ist im Sessel eingeschlafen?«
    »Was glaubst du?«, fragte ich und merkte, wie nervös meine Stimme plötzlich klang.
    »Ich würde gerne annehmen, dass es eine Halluzination war. Davon haben wir hier drinnen ja weiß Gott genug.«
    »War es eine?«
    Peter hatte gelächelt und den Kopf geschüttelt. »Fehlanzeige.«
    »Und was glaubst du, wer es war?«
    Er lachte, ein freudloses Lachen, das nicht auf eine Pointe hoffen ließ. »C-Bird, du weißt genau, wer es meiner Meinung nach war.«
    Ich hielt inne und holte tief Luft, während ich sämtliche Stimmen in mir abwürgte.
    »Weshalb ist er deiner Meinung nach an die Tür gekommen?«
    »Er wollte uns sehen.«
    Daran erinnerte ich mich in allen Einzelheiten. Ich wusste noch genau, wo wir gerade waren und was wir anhatten. Peter trug seine Red-Sox-Kappe, leicht aus der Stirn zurückgeschoben. Ich entsinne mich sogar, was wir an diesem Morgen zum Frühstück aßen: Pfannkuchen, die nach Pappe schmeckten, in einen dicken, süßen Sirup getunkt, der mehr mit der Mixtur

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