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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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auch.«
    Die beiden Damen inspizierten mich gründlich. Ich wünschte, ich hätte mich ein wenig zurechtgemacht, bevor ich an die Tür ging. Meine unrasierten Wangen, das zottelige, ungewaschene Haar und die nikotinverfärbten Fingernägel vermittelten vermutlich nicht ganz den gewünschten Eindruck. Ich versuchte, mein Hemd in den Hosenbund zu stopfen, merkte aber, dass ich sie damit erst auf mein zweifellos schlampiges Erscheinungsbild aufmerksam machte. Colleen schnappte ein wenig nach Luft, als sie mich sah. Ein schlechtes Zeichen. Unterdessen versuchte Megan, an mir vorbeizuspähen, und ich vermutete, dass sie die Schrift an den Wohnzimmerwänden sehen konnte. Sie wollte gerade den Mund aufmachen, überlegte es sich aber und unternahm einen neuen Anlauf.
    »Nimmst du deine Medikamente?«
    »Natürlich.«
    »Nimmst du alle deine Medikamente?« Sie betonte jedes Wort, als spräche sie mit einem besonders begriffsstutzigen Kind.
    »Ja.« Sie war die Art von Frau, bei der es einem leicht fiel, zu lügen. Ich hatte nicht einmal allzu große Schuldgefühle dabei.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir das abnehme, Francis.«
    »Glaub, was du willst.«
    Schlechte Antwort. Innerlich trat ich mir in den Hintern.
    »Hörst du wieder Stimmen?«
    »Nein, kein bisschen. Wie kommt ihr nur auf die verrückte Idee?«
    »Machst du dir was zu essen? Kriegst du genügend Schlaf?« Das war Colleen. Etwas weniger penetrant, andererseits ein wenig genauer nachgefragt.
    »Dreiviertelstunde tagsüber und gut acht Stunden in der Nacht. Und Mrs. Santiago hat mir neulich einen ordentlichen Teller Reis mit Huhn spendiert.« Ich sprach mit Nachdruck.
    »Was treibst du da drinnen?«, wollte Megan wissen.
    »Ich mache in meinem Leben Inventur. Nichts Besonderes.«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie glaubte mir nicht, und reckte weiter den Kopf vor.
    »Wieso willst du uns nicht reinlassen?«, fragte Colleen.
    »Ich habe das Bedürfnis, allein zu sein.«
    »Du hörst wieder Stimmen«, sagte Megan entschieden. »Das merke ich doch.«
    Ich zögerte einen Moment und fragte dann: »Wie denn? Kannst du sie denn auch hören?«
    Das brachte sie natürlich noch mehr in Fahrt.
    »Du musst uns sofort reinlassen!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich möchte einfach, dass ihr mich in Ruhe lasst«, erwiderte ich. Colleen schien den Tränen nahe. »Ich möchte nur, dass ihr mich in Ruhe lasst. Weshalb seid ihr überhaupt gekommen?«
    »Haben wir doch gesagt. Wir machen uns Sorgen um dich«, sagte Colleen.
    »Wieso? Hat euch jemand gesagt, ihr müsstet euch um mich Sorgen machen?«
    Die beiden Schwestern warfen sich einen verstohlenen Blick zu und wandten sich wieder an mich. »Nein«, sagte Megan und versuchte, ihren insistierenden Ton zu mäßigen. »Wir haben nur so lange nichts von dir gehört …«
    Ich lächelte ihnen ins Gesicht. Irgendwie war es ganz nett, dass wir jetzt alle logen.
    »Ich war beschäftigt. Falls Sie einen Termin machen wollten, dann sollen Ihre Leute sich einen von meiner Sekretärin geben lassen, und ich versuche, Sie noch irgendwo vor dem Tag der Arbeit dazwischenzuschieben.«
    Sie lachten nicht mal über meinen Witz. Ich war schon dabei, die Tür zuzumachen, doch Megan trat vor, legte ihre Hand dagegen und hielt sie einen Spalt breit auf. »Was soll die Schrift da?«, fragte sie und zeigte mit dem Finger hinter mich. »Was schreibst du da?«
    »Das ist ja wohl meine Sache, das geht dich nichts an«, sagte ich.
    »Schreibst du über Vater und Mutter? Über uns? Das wäre nicht fair!«
    Ich war ein wenig erstaunt. Meine Spontandiagnose lautete, dass sie paranoider war als ich. »Wie kommst du darauf«, sagte ich langsam, »dass du interessant genug für mich bist, um über dich zu schreiben?«
    Und dann machte ich die Tür zu – vermutlich ein bisschen zu fest, denn der Knall hallte wie ein Schuss durch die ganze Wohnung.
    Sie klopften erneut, doch ich ignorierte sie. Als ich kehrtmachte, hörte ich das vielfältige Gemurmel vertrauter Stimmen in mir, die mir zu meiner Tat gratulierten. Sie liebten es immer, wenn ich ein bisschen Auflehnung und Unabhängigkeit an den Tag legte. Doch ebenso schnell folgte ihnen ein fernes, dumpf hallendes spöttisches Lachen, das immer lauter wurde und die vertrauten Geräusche übertönte.
    Es war ein bisschen wie das Krächzen einer Krähe, das unsichtbar mit einer kräftigen Böe über meinen Kopf hinwegschwebt. Ich schauderte und schrumpfte etwas zusammen, als könnte ich mich unter dieses Lachen ducken.
    Ich

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