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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Vertraulichkeitszusagen. Was meinen Sie wohl, wie lange die sich an ihre Versprechen gehalten haben? Einen Tag? Vielleicht zwei? Ich möchte wetten, dass hier so ziemlich jeder, der davon wissen kann, tatsächlich davon weiß. Und ich vermute auch, dass der Engel irgendwie spitzgekriegt hat, dass C-Bird und ich Ihnen helfen.«
    »Und wie genau kommen Sie zu diesem Schluss?«, fragte Lucy. Es lag eine Nüchternheit und ein Argwohn in ihrer Stimme, die Francis deutlich heraushörte, die Peter jedoch zu ignorieren schien.
    »Na ja, in erster Linie ist es natürlich eine Mutmaßung«, sagte Peter. »Aber eins führt zum anderen …«
    »Na schön«, sagte Lucy, »Was ist das erste
eins

    Peter erzählte ihr zügig von der Erscheinung, die er in der letzten Nacht am Guckfenster erspäht hatte. Während er ihr beschrieb, was er gesehen hatte und wie er schnell zur Tür geschlichen war, um mehr zu sehen, schien er Lucy aufmerksam zu beobachten, um jede kleinste Reaktion von ihr zu registrieren. Er endete mit den Worten: »Wenn er demnach genug von uns weiß, um uns sehen zu wollen, dann weiß er auch von Ihnen. Schwer zu sagen, aber … na, siehst du, ich wollte es wenigstens gesagt haben.« Er zuckte leicht mit den Schultern, doch in seinen Augen lag mehr Überzeugungskraft, als seine Körpersprache ausdrückte.
    »Wann ist das letzte Nacht passiert?«, fragte Lucy.
    »Spät. Weit nach Mitternacht.«
    Peter beobachtete, wie sie zögerte. »Gibt es vielleicht etwas, das Sie uns mitteilen wollen?«
    Wieder zögerte Lucy. Dann sagte sie: »Ich glaube, ich hatte letzte Nacht ebenfalls Besuch.«
    Peter wippte alarmiert zurück. »Wie das?«
    Lucy holte tief Luft und beschrieb dann, wie sie ins Wohnheim der Lernschwestern gegangen und ihre Tür nicht verschlossen war, beim zweiten Mal dann aber plötzlich doch. Auch wenn sie nicht sagen konnte, wer es gewesen war und was er gewollt hatte, auch wenn sie davon überzeugt war, dass seitdem etwas fehlte, wusste sie nicht, was. Alles schien an Ort und Stelle und unversehrt zu sein. Sie hatte sich die Zeit für eine Bestandsaufnahme ihres bescheidenen Reisegepäcks genommen und nicht feststellen können, dass etwas fehlte.
    »Demnach«, sagte Lucy entschieden, »ist, soweit ich sehe, alles vollständig. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass etwas fehlt.«
    Peter nickte. »Vielleicht sollten Sie zur Sicherheit noch mal alles durchgehen. Ein Kleidungsstück wäre zum Beispiel eine nahe liegende Sache. Oder ein wenig subtiler« – er überlegte offenbar einen Moment lang angestrengt –, »etwas Haar aus Ihrem Kamm. Oder er hat sich Ihren Lippenstift geschnappt und sich einmal damit über die Brust geschmiert. Oder sich Parfüm auf den Handrücken gesprüht. So was in der Art.«
    Lucy schien von der Vorstellung betroffen, und sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, als wäre ihr ein bisschen warm, doch bevor sie antwortete, schüttelte Francis ein paarmal energisch den Kopf. Peter drehte sich zu ihm um. »Was ist, C-Bird?«
    Francis kam ins Stottern. »Ich glaube, da liegst du nicht ganz richtig, Peter«, sagte er bedächtig. »Er braucht nichts an sich zu nehmen. Weder Kleider noch Zahnbürste oder Haar oder Unterwäsche oder Parfüm oder sonst etwas, das Lucy mitgebracht hat, weil er ihr bereits etwas viel Größeres und viel Wichtigeres genommen hat. Sie hat es nur noch nicht richtig gemerkt. Vielleicht, weil sie es nicht merken will.«
    Peter lächelte. »Und das wäre, Francis?«, fragte er langsam mit tiefer Stimme, der ein seltsames Vergnügen anzumerken war.
    Francis’ Stimme zitterte leicht, als er antwortete: »Er hat ihr die Privatsphäre genommen.«
    Einen Augenblick lang schwiegen sie alle drei und ließen sich das Gesagte durch den Kopf gehen. »Und noch etwas«, fügte er vorsichtig hinzu.
    »Was denn?«, wollte Lucy wissen. Ihr Gesicht war einen Hauch gerötet, und sie hatte angefangen, mit einem Bleistiftende auf die Schreibtischplatte zu klopfen.
    »Vielleicht auch Ihre Sicherheit«, sagte Francis.
    Das Schweigen lastete schwer auf dem kleinen Raum. Francis hatte das Gefühl, als hätte er mit dem, was er gesagt hatte, irgendeine Grenze übertreten. Peter und Lucy waren beide Ermittlerprofis und er nicht, und er war selbst überrascht, dass er die Stirn gehabt hatte, überhaupt etwas zu sagen, besonders etwas so Provozierendes. Eine seiner hartnäckigeren Stimmen brüllte aus der Tiefe:
Sei still! Halt den Mund! Rück nicht freiwillig mit so was raus!

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