Die Anstalt
der Hindernisse als willkommene Herausforderungen begriff und einzelne Schritte als Leistungen zu würdigen verstand. »Also«, sagte Peter, als führte er auf einmal Selbstgespräche, »Lucy ist hier, weil sie davon überzeugt ist, dass ein bestimmter Krimineller ebenfalls hier ist, und sie ist entschlossen, ihn zu finden. Weil sie ein … besonderes Interesse daran hat. Richtig?«
Lucy nickte. »Richtig.« Jede Spur von Belustigung war aus ihrem Gesicht gewichen. »Ihre investigativen Fähigkeiten haben bis jetzt unter Ihrem Aufenthalt im Western State nicht gelitten.«
Er schüttelte den Kopf. »Oh, ich denke, schon«, sagte er. Was er nicht sagte, war, ob zum Besseren oder zum Schlechteren. »Und worin besteht nun wohl dieses spezielle Interesse?«
Nach einer langen Pause neigte Lucy den Kopf tiefer. »Peter, ich glaube, wir kennen uns einfach noch nicht gut genug, aber so viel kann ich sagen: Derjenige, der die anderen drei Morde begangen hat, hat meine persönliche Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, indem er meine Dienststelle verhöhnte.«
»Verhöhnte?«
»Ja. Mit der Du-kriegst-mich-nicht-Masche.«
»Sie wollen nicht deutlicher werden?«
»Im Moment nicht. Das sind Einzelheiten, auf die wir zurückgreifen wollen, wenn es zur Anklageerhebung kommt. Daher …«
Peter fiel ihr ins Wort. »Wollen Sie zwei Irren keine Einzelheiten verraten.«
Sie holte tief Luft. »Nicht mehr, als Sie verraten würden, wenn ich Sie danach fragte, wie Sie dieses Benzin quer durch die Kirche gegossen haben. Und wieso.«
Wieder schwiegen beide für einen Moment. Dann drehte sich Peter zu Francis um und sagte: »C-Bird, was verbindet all diese Verbrechen? Wozu diese Morde?«
Francis merkte, dass er einer Probe unterzogen wurde, und er ließ mit der Antwort nicht auf sich warten. »Schon mal das Äußere der Opfer. Alter und Isolation; sie alle fuhren regelmäßig allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie waren jung, und sie hatten kurzes Haar und einen schlanken Körper. Sie wurden jeweils an einer Wind und Wetter ausgesetzten Stelle gefunden, die nicht der Tatort war, was die Sache für die Polizei komplizierter macht. Das hab ich von dir. Und sie wurden alle auf dieselbe Weise verstümmelt. Die fehlenden Finger, genau wie bei Short Blond.« Francis holte tief Luft. »Hab ich Recht?«
Lucy Jones nickte, und Peter the Fireman lächelte. »Haargenau«, sagte er. »Wir müssen ganz schön auf der Hut sein, Lucy, weil unser guter C-Bird hier ein weitaus besseres Gedächtnis für Details und für Beobachtungen hat, als ihm irgendjemand zutrauen würde.« Dann schwieg er, weil er über etwas nachzudenken schien. Wieder wollte er gerade etwas sagen und änderte im letzten Moment seine Meinung. »In Ordnung, Lucy. Sie mögen die eine oder andere Information, die uns weiterhelfen könnte, für sich behalten – fürs Erste. Was liegt also an?«
»Es muss eine Möglichkeit geben, diesen Mann zu finden«, sagte sie steif, doch auch ein wenig erleichtert, als hätte sie begriffen, dass Peter eigentlich ein, zwei weitere Fragen stellen wollte, die das Gespräch in eine andere Richtung gelenkt hätten. Francis war sich nicht sicher, ob in dem, was sie sagte, Dankbarkeit mitschwang, doch er sah, dass seine beiden Gesprächspartner einander mit einem durchdringenden Blick anschauten und sich stumm verständigten, und zwar auf etwas, das Francis in diesem Moment entging. Francis räumte diese Möglichkeit ein, doch etwas anderes entging ihm nicht: Peter und Lucy hatten sich jeweils in den Augen des anderen Respekt verschafft, und das sorgte aus Francis’ Sicht dafür, dass sie ab jetzt auf gleicher Augenhöhe agierten. Peter war ein bisschen weniger der geistesgestörte Patient und Lucy ein bisschen weniger die Staatsanwältin, stattdessen waren sie von einem Moment zum anderen eher so etwas wie Partner.
»Das Problem ist nur«, sagte Peter und wog seine Worte sorgfältig ab, »dass er, glaube ich, seinerseits uns gefunden hat.«
16
F alls Lucy über das, was Peter da sagte, erstaunt war, dann zeigte sie es nicht sofort.
»Wie meinen Sie das?«, fragte sie.
»Ich vermute, dass der Engel bereits weiß, dass Sie hier sind, und höchstwahrscheinlich auch, weshalb. Ich glaube, man kann hier nicht so viel geheim halten, wie es wünschenswert wäre. Oder genauer gesagt, hier gilt eine andere Definition von dem, was ein Geheimnis ist. Ich nehme daher an, er weiß ganz genau, dass Sie ihn jagen, trotz Gulptilils und Evans’
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