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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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schwarzes Gesicht mit einem breiten, die schiefen Zähne fletschenden Grinsen über ihm. Das Gesicht befand sich über der weißen Jacke eines Pflegers, die auf den ersten Blick ein paar Nummern zu klein für den Körper, der darin steckte, war.
    »Also, Mr. Francis Xavier Petrel, Sie machen uns jetzt doch keinen Ärger, oder?« Der Mann hatte einen leicht singenden Tonfall, so dass die Worte halb bedrohlich, halb belustigt herauskamen. Francis wusste nicht, was er antworten sollte.
    Urplötzlich schwebte am anderen Ende der Bahre ein zweiter schwarzer Kopf in sein Gesichtsfeld, der sich ebenfalls über ihn neigte, und dieser andere Mann sagte: »Ich glaube, der Junge hier macht uns keine Scherereien. Kein bisschen. Stimmt’s, Mr. Petrel?« Auch er sprach mit einem leichten Südstaatenakzent.
    Eine Stimme brüllte ihm ins Ohr:
Sag nein!
    Er versuchte, den Kopf zu schütteln, hatte jedoch Probleme damit, den Hals zu bewegen. »Ich mach keinen Ärger«, würgte er heraus.
    Die Worte klangen so roh, wie der ganze Tag gewesen war, doch er war froh, dass er überhaupt sprechen konnte. Das beruhigte ihn ein wenig. Den ganzen Tag schon hatte er Angst gehabt, er könnte irgendwie die Fähigkeit verlieren, sich mitzuteilen.
    »In Ordnung, Mr. Petrel. Wir können jetzt von der Rollbahre runter. Dann setzen wir uns ganz hübsch und artig in einen Rollstuhl. Aber die Fesseln an Ihren Händen und Füßen wollen wir mal noch schön dranlassen. Die kommen erst weg, wenn Sie beim Doktor gewesen sind. Vielleicht kriegen Sie von dem ’ne Kleinigkeit, wo Sie sich mit beruhigen können. Was so richtig zum Abkühlen. So, und jetzt mal hübsch sachte. Setzen Sie sich auf und schwingen Sie die Beine nach vorn.«
    Tu, was man dir sagt!
    Er tat, was man ihm sagte.
    Von der Bewegung wurde ihm schwindelig, und er schien einen Moment lang zu schwanken. Er merkte, wie ihn eine riesige Hand an der Schulter packte, um ihm Halt zu geben. Er drehte sich um und sah, dass der erste Pfleger ein Hüne war, gut über eins fünfundneunzig groß und wahrscheinlich um die anderthalb Zentner schwer. Seine Arme waren die reinsten Muskelpakete und seine Beine wie Fässer. Sein Partner, der andere Schwarze, war ein drahtig dünner Mann, der neben dem Koloss zwergenhaft wirkte. Er schmückte sich mit einem Ziegenbärtchen und einer buschigen Afro-Frisur, der es jedoch nicht recht gelingen wollte, ihm mehr Statur zu verleihen. Zusammen bugsierten die beiden Männer ihn in einen wartenden Rollstuhl.
    »Okay«, sagte der Kleine. »Jetzt bringen wir Sie zum Doktor rein. Und nur keine Sorge nich’. Kann sein, dass im Moment alles komplett daneben und lausig schlimm aussieht, aber das wird schon wieder, Sie werden sehen. Da können Sie Gift drauf nehmen.«
    Er glaubte ihm nicht. Kein Wort.
    Die beiden Pfleger fuhren ihn weiter in ein kleines Wartezimmer. Dort saß eine Sekretärin hinter einem Schreibtisch aus grauem Stahl, die, als die Prozession zur Tür hereinkam, von ihrer Arbeit aufsah. Sie war eine imposante, propere Frau jenseits der mittleren Jahre in einem engen blauen Kostüm, das Haar ein wenig zu stark toupiert, den Lidstrich einen Hauch zu dick aufgetragen, auch das Lipgloss leicht übertrieben, so dass ihr Erscheinungsbild auf Francis Petrel in sich widersprüchlich wirkte, halb Bibliothekarin, halb Prostituierte. »Da haben wir wohl Mr. Petrel«, sagte sie zu den beiden Pflegern, auch wenn es für Francis offensichtlich war, dass sie keine Antwort erwartete, weil sie es bereits wusste. »Sie können gleich mit ihm zum Doktor durch, er erwartet ihn schon.«
    Er wurde durch eine weitere Tür in ein Sprechzimmer geschoben, das etwas freundlicher war, mit zwei Fenstern zum Innenhof an der rückwärtigen Wand. Er sah, wie draußen eine große Eiche in Wind und Regen schwankte. Und dahinter erkannte er andere Häuser, allesamt Backsteinbauten mit schiefergrauen Dächern, die mit dem düsteren Himmel darüber verschmolzen. Vor den Fenstern stand ein Holzschreibtisch von beeindruckendem Format. In einer Zimmerecke befand sich ein Bücherregal, daneben ein paar dicke Polstersessel und davor ein dunkelroter Orientteppich auf dem Einheitsgrau des Teppichbodens, zusammen also eine Sitzecke zu Francis’ Rechten. An der Wand hing neben Präsident Carters Porträt ein Foto des Gouverneurs. Francis nahm dies alles so schnell wie möglich in sich auf, so dass sein Kopf in alle Richtungen zuckte. Doch sein Blick ruhte bald auf einem kleinen Mann, der sich, als

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