Die Anstalt
keiner Fliege was zuleide tun …«
»Na klar«, warf Little Black ein, »und er hört immer noch Stimmen, trotz der Medikamente, und der Big Doc kann ihm nicht begreiflich machen, wieso er hier ist, und Mr. Evil kann ihn nicht ausstehen, auch wenn ich nicht kapiere, wieso. Das alles läuft darauf hinaus, Peter, dass Ihr Freund hier bleibt und dass sie keine Verhandlung für ihn ansetzen. Wie bei ein paar anderen auch. Und so sicher wie das Amen in der Kirche bei Ihnen.«
Peter wollte etwas antworten, biss sich aber auf die Lippen. Eine Weile liefen sie schweigend weiter, und er hoffte, dass die wohlige Wärme die Gedanken vertreiben würde, die die beiden Pfleger ausgelöst hatten und bei denen ihn fröstelte. Schließlich sagte er: »Sie irren sich. Sie irren sich beide. Er kommt raus. Geht nach Hause. Ich weiß es.«
»Bei ihm zu Hause will ihn keiner haben«, sagte Big Black.
»Anders als bei Ihnen«, fügte Little Black hinzu. »Alle reißen sich um Fireman. Egal, wo Sie mal enden, auf keinen Fall hier.«
»Klar doch«, sagte Peter bitter. »Wieder ab in den Knast, wo ich hingehöre und zwanzig Jahre, wenn nicht lebenslänglich absitzen darf.«
Little Black zuckte die Schultern, als wollte er sagen, dass Peter schon wieder etwas vielleicht nicht ganz unlogisch, aber doch ziemlich falsch sah. Sie liefen noch ein paar Schritte in Richtung des Williams-Gebäudes.
»Kopf runter«, sagte Little Black, als sie den Seiteneingang erreichten.
Peter zog wieder den Kopf ein und senkte den Blick, so dass er auf den staubigen Weg starrte, den sie entlanggingen. Es war schwierig, dachte er, solange jeder Sonnenstrahl, der auf seinen Rücken traf, ihm zu Bewusstsein brachte, dass er woanders war, und jeder warme Windhauch, den er einatmete, an glücklichere Tage erinnerte. Er schritt energisch voran und ermahnte sich, dass es sinnlos war, an das zu denken, was er einmal gewesen und was er geworden war, und dass er sich nur darum kümmern sollte, was aus ihm werden würde. Aber das war alles andere als leicht, denn jedes Mal, wenn er Lucy ansah, hatte er ein Leben vor sich, das seines hätte sein können, das ihm aber entgangen war. Und nicht zum ersten Mal drängte sich ihm das Gefühl auf, dass jeder Schritt, den er machte, ihn einem schrecklichen Abgrund näher brachte, wo ihm schwindelig wurde und wo er taumelte und nur mit einem Griff an eisbedeckten Felsen das Gleichgewicht wahren konnte, während er an dünnen Seilen hing, die schnell zerrissen.
Der Mann ihr gegenüber lächelte ausdruckslos, sagte aber nichts.
Zum zweiten Mal fragte Lucy: »Erinnern Sie sich noch an die Lernschwester, die unter dem Spitznamen Short Blond bekannt war?«
Der Mann wiegte sich vor und zurück und stöhnte leicht. Es war weder ein zustimmendes noch ein verneinendes Stöhnen, sondern nur eine Art Empfangsbescheinigung. Zumindest hätte Francis den Laut als Stöhnen beschrieben, aber nur, weil ihm kein besseres Wort dafür einfiel, denn der Mann schien nicht das geringste Unbehagen zu empfinden, sei es wegen der Frage oder der steifen Rückenlehne oder der Staatsanwältin ihm gegenüber. Es war ein stämmiger, breitschultriger Mann mit kurz geschorenem Haar und irgendwie geweiteten Augen. In einem Mundwinkel sammelte sich ein wenig Speichel, und er wiegte sich zu einem Rhythmus, den nur er hören konnte.
»Werden Sie irgendeine meiner Fragen beantworten?«, fragte Lucy Jones, und dabei schlich sich ein frustrierter Ton in ihre Stimme ein.
Wieder blieb der Mann stumm, so dass nur das Knarren des Stuhls, auf dem er wippte, den Raum erfüllte. Francis sah sich die Hände des Mannes an, die groß und knochig waren, fast so verwittert wie die eines alten Mannes, was ganz und gar nicht passte, weil der schweigsame Mann wahrscheinlich kaum älter war als er selbst. Manchmal hatte Francis den Eindruck, dass die herkömmlichen Gesetze der Alterung in der Welt der Heilanstalt gleichsam verschoben waren. Junge Menschen sahen alt aus. Alte Menschen wirkten uralt. Männer und Frauen, die mit jedem Herzschlag vor Vitalität hätten sprühen sollen, schleppten sich dahin, als zog das Gewicht der Jahre an jedem ihrer Schritte, während andere, die schon fast mit dem Leben abgeschlossen hatten, kindliche Einfalt und Bedürfnisse an den Tag legten. Eine Sekunde lang blickte er auf seine eigenen Hände hinab, um sozusagen zu prüfen, ob sie altersgemäß waren. Dann betrachtete er wieder die des Hünen, die zu knorrigen, muskulösen
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