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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zusammengehalten. Die Platte hat Verwerfungen und ist uneben. Sagen Sie mir, Doktor, wie man mit einer minderwertigen Ausrüstung, die nicht mal dem Mindeststandard des Nationalen Tischtennis-Verbands entspricht, seine Spieltechnik verbessern soll?«
    »Auch dazu muss ich sagen, dass mir keine Klagen zu Ohren gekommen sind. Ich werde das Freizeit-Budget überprüfen und sehen, ob für solche Anschaffungen Gelder zur Verfügung stehen.«
    Während der eine oder andere sich damit zufrieden gegeben hätte, war Cleo noch lange nicht fertig. »In den Schlafsälen ist es nachts viel zu laut, um den Schlaf zu bekommen, den wir brauchen. Viel, viel zu laut. Schlaf ist für das allgemeine Wohlbefinden und den Genesungsprozess von zentraler Bedeutung. Der Gesundheitsminister empfiehlt mindestens acht Stunden Schlaf am Stück. Außerdem brauchen wir mehr Platz, viel mehr Platz. Da haben ja Todeskandidaten im Gefängnis mehr Bewegungsfreiheit als wir. Die Überbelegung ist außer Kontrolle geraten. Und wir brauchen mehr Klopapier in den Toiletten. Erheblich mehr. Und« – inzwischen war ihre Stimme ein einziger Wasserfall an Beschwerden – »wieso gibt es nicht mehr Pfleger, die uns nachts beistehen, wenn wir Albträume haben? Jede Nacht schreit jemand um Hilfe. Albträume, Albträume, Albträume. Man ruft und schreit und brüllt, und niemand kommt. Das ist nicht in Ordnung, das ist schlichtweg nicht in Ordnung, verflucht noch mal.«
    »Wir leiden, wie viele andere staatliche Einrichtungen auch, unter Personalmangel, Cleo«, erwiderte der Arzt in herablassendem Ton. »Natürlich nehme ich Ihre Beschwerden und Anregungen zur Kenntnis, und ich will sehen, was sich machen lässt. Aber wenn die wenigen Mitarbeiter, die Nachtschicht arbeiten, auf jeden Schrei, den sie hören, reagieren sollten, wären sie binnen ein, zwei Nächten am Rand der Erschöpfung, Cleo. Ich denke, Albträume sind etwas, womit wir einfach von Zeit zu Zeit rechnen müssen, und wir müssen lernen, damit zu leben.«
    »Das ist wohl kaum fair zu nennen. Trotz all der Medikamente, mit denen Ihr Arschlöcher uns voll stopft, sollte sich wohl auch was finden, womit die Leute einigermaßen ungestört schlafen können.« Während sie sprach, schien sich Cleo zu wahrhaft königlicher Statur aufzublähen und über sich hinauszuwachsen, eine Marie Antoinette des Amherst-Gebäudes.
    »Ich werde im Ärzte-Handbuch nachschlagen, ob es eine zusätzliche Medikation gibt«, log der Doktor. »Haben Sie sonst noch Anliegen auf dem Herzen?«
    Cleo wirkte ein wenig nervös, ein wenig frustriert, doch dann wechselte plötzlich ihr Ausdruck, und sie wirkte gerissen. »Ja«, sagte sie energisch. »Ich wüsste gerne, was mit dem armen Lanky ist.« Und dann hob sie den Arm und wies auf Lucy, die geduldig dastand. »Und ich möchte wissen, ob sie schon den wahren Mörder gefunden hat!«
    Die Worte hallten durch den Flur.
    Gulptilil setzte ein schwaches Lächeln auf und antwortete ruhig: »Lanky steht immer noch unter Anklage, einen vorsätzlichen Mord begangen zu haben, und bleibt daher bis auf Weiteres in Einzelhaft. Ich meine, ich hätte Ihnen das bereits erklärt. Er hatte eine Kautionsverhandlung, doch erwartungsgemäß wurde sie abgewiesen. Ihm wurde ein Pflichtverteidiger zugeteilt, und er bekommt weiterhin von hier aus seine Medikamente. Er befindet sich nach wie vor im Bezirksgefängnis, und weitere Gerichtsverfahren sind anhängig. Wie ich höre, ist er guten Mutes …«
    »Das ist gelogen«, sagte Cleo wütend. »Lanky ist höchst wahrscheinlich sehr unglücklich, seit er von hier weggeschleppt wurde. Das hier ist sein Zuhause, so wie es ist, und wir sind seine Freunde, so wie wir sind. Er sollte unverzüglich wieder hierher gebracht werden!« Sie holte tief Luft und äffte dann sarkastisch die Worte des Arztes nach. »Das habe ich Ihnen schon mal gesagt. Wieso hören Sie nicht?«
    »Und was Ihre andere Frage betrifft«, fuhr Gulptilil fort, indem er Cleos Vorwurf ignorierte, »da wenden Sie sich besser an Miss Jones. Doch sie ist natürlich keineswegs verpflichtet, irgendjemanden darüber zu unterrichten, wie weit sie glaubt, Fortschritte zu machen. Oder auch
nicht
zu machen.« Die letzten Worte betonte er.
    Cleo trat zurück und murmelte etwas in sich hinein. Gulptilil löste sich von ihr und gab seiner kollegialen Gefolgschaft wie ein Pfadfinderführer bei einer Waldwanderung durch Handzeichen zu verstehen, man möge ihn weiter den Flur entlang begleiten. Doch er war

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