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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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schmerzhaften Behandlung seiner Verbrennungen, die er sich in jener tragischen Nacht zugezogen hat. Ich fürchte, Ihr Kollege könnte einigen Groll gegen Peter hegen.«
    Peter zögerte, dachte über ein, zwei, vielleicht ein Dutzend Antworten nach, sprach aber keine aus. Er nickte dem Kardinal zu, der ohne ein Lächeln zurücknickte. Sein hochrotes, nervös angespanntes Gesicht sagte Peter allerdings, dass der fromme Mann sich auf einem äußerst schmalen Grat bewegte.
     
    Der Flur im Erdgeschoss des Amherst-Gebäudes wimmelte von Patienten. In der Eingangshalle herrschte ein reges Stimmengewirr von Menschen, die miteinander oder mit sich selber redeten. Nur wenn etwas passierte, das die Routine sprengte, wurden die Leute auf einmal ganz still oder gaben unartikulierte Laute von sich, die fast wie Sprache klangen. Jede Veränderung war grundsätzlich gefährlich, dachte Francis. Es machte ihm Angst, dass er sich schon so an das Dasein im Western State gewöhnt hatte. Ein gesunder Mensch, dachte er, kann sich an Veränderungen anpassen und begrüßt Originalität. Er nahm sich fest vor, jede Abwechslung aufzugreifen, die sich ihm bot, um gegen die Abhängigkeit von der Routine anzukämpfen. Selbst seine Stimmen signalisierten ihre Zustimmung, als könnten auch sie die Gefahr sehen, zu einem der vielen Gesichter im Flur zu verkommen.
    Doch als er sich das gerade einschärfte, trat plötzlich Stille ein. Der Lärm verebbte wie eine zurückweichende Welle am Meer. Als Francis aufschaute, sah er den Grund: Little Black führte drei Männer durch den Flur zum Schlafsaal im ersten Stock. Francis erkannte den bulligen retardierten Mann wieder, der mit Leichtigkeit eine Feldkiste in beiden Armen trug und sich eine große Raggedy-Andy-Puppe unter die Achsel geklemmt hatte. Der Mann hatte eine Prellung an der Stirn und eine leicht geschwollene Lippe, zeigte dabei aber ein schiefes Grinsen, das er jedem schenkte, der seinen Blick erwiderte. Während er hinter Little Black hertrottete, gab er zur Begrüßung brummende Geräusche von sich.
    Der zweite Mann war ein Fliegengewicht und bedeutend älter, mit Brille und dünnem, schütterem weißem Haar. Er schien leichtfüßig wie ein Tänzer zu sein, und Francis sah ihn durch den Korridor trippeln, als seien die Menschen dort Teil eines Balletts. Der dritte Mann starrte stumpfsinnig vor sich hin; er war irgendwo zwischen Jugend und mittlerem Alter, hatte breite Schultern sowie insgesamt einen stämmigen Körperbau und dunkles Haar. Er schleppte sich vorwärts, als koste es ihn Kraft, mit dem Retardierten und dem Tänzer Schritt zu halten. Ein Kato, dachte Francis erst. Oder zumindest nicht weit davon entfernt. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte er, wie die Augen des Mannes verstohlen die Schar Patienten inspizierte, die sich vor Little Blacks Prozession wie die Wellen am Bug eines Schiffes teilte. Francis bemerkte, wie der Mann die Augen zusammenkniff, als missfiele ihm, was er sah, und wie ein Hund die Zähne fletschte. Francis korrigierte augenblicklich seine Einschätzung und wusste, dass er einen Mann vor sich hatte, um den man besser einen großen Bogen machte. Dieser Mann trug einen braunen Pappkarton mit seinem dürftigen Eigentum bei sich.
    Francis beobachtete, wie Lucy aus dem Büro trat und stehen blieb, um der Gruppe auf dem Weg zum Schlafsaal nachzusehen. Francis entging nicht, wie Little Black ihr kaum merklich zunickte, als wollte er ihr signalisieren, dass ihr Störmanöver, das sie in Gang gesetzt hatte, nach Wunsch verlief. Ein Störmanöver, das den Umzug mehrerer Männer aus einem Schlafsaal in einen anderen notwendig gemacht hatte.
    Lucy kam zu Francis herüber und flüsterte ihm rasch etwas zu. »C-Bird, hängen Sie sich dran und sehen Sie zu, dass unser Bursche ein Bett bekommt, wo Sie und Peter ihn im Auge behalten können.«
    Francis nickte, wollte sagen, dass der retardierte Mann das falsche Beobachtungsobjekt war, tat es aber nicht. Stattdessen löste sich Francis von der Wand und kam den Flur entlang, der in diesem Moment vom ersten emsigen Tuscheln widerhallte.
    Francis entdeckte Cleo, die abwartend in der Nähe der Pflegestation stand und jeden der Männer fixierte, der an ihr vorüberkam. Francis sah, wie es in der breiten Frau arbeitete, wie sie mit der einen Hand auf die drei Ankömmlinge wies und dabei die Stirn furchte. Es kam ihm so vor, als nähme sie Maß. Plötzlich brüllte sie: »Ihr seid hier nicht willkommen! Keiner von euch!«
    Doch nicht

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