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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wie möglich die konkreten Aspekte der Ermittlungen im Auge zu behalten. Listen und Mutmaßungen hatten ja durchaus ihren Reiz, doch ihr war entschieden wohler, wenn sie über Details verfügte, die jemand vor Gericht bezeugen konnte. Der Verlust des blutigen Hemdes machte ihr viel mehr zu schaffen, als sie sich hatte anmerken lassen, und sie war darauf erpicht, noch ein Quentchen schlüssiges Beweismaterial zu finden, das eine Anklage rechtfertigte.
    Noch einmal überlegte Lucy: Messer; Fingerspitzen; blutige Kleider und Schuhe.
    Etwas davon muss doch irgendwo sein
, sagte sie sich.
    »Das könnte tatsächlich sinnvoll sein«, sagte Peter. Er sah die Staatsanwältin an und erkannte, was möglicherweise auf dem Spiel stand.
    Francis dagegen war sich weniger sicher. Er vermutete, dass der Engel mit einem solchen Schachzug gerechnet hatte. Sie mussten, dachte er, mit etwas viel weniger Offensichtlichem aufwarten. Etwas, das für den Engel überraschend kam. Etwas Abstrusem, völlig Neuem, was zu dem Terrain passte, auf dem sie sich tatsächlich befanden, und nicht zu dem, wo sie sein wollten. Zu dritt machten sie sich zu Lucys Büro auf, doch Francis entdeckte Big Black drüben an der Pflegestation, und so scherte er aus, um mit dem großen Pfleger zu reden. Die anderen liefen weiter, ohne offenbar mitzubekommen, dass er woanders hinging.
    Big Black sah auf. »Noch zu früh für die Medikamente, C-Bird«, sagte er. »Aber ich vermute mal, deshalb bist du nicht hier, oder?«
    Francis schüttelte den Kopf. »Sie haben mir doch geglaubt, oder?«
    Der Pfleger sah sich um, bevor er antwortete. »Und ob ich das habe, C-Bird. Das Problem ist nur, dass hier drinnen nie was Gutes bei rauskommt, einem Patienten zuzustimmen, wenn die da oben anderer Meinung sind. Das verstehst du doch, oder? Es ging nicht um wahr oder nicht wahr, es ging um meinen Job.«
    »Er könnte zurückkommen. Sogar heute Nacht.«
    »Möglich. Aber ich bezweifle, dass er das tut. Wenn er davon überzeugt wäre, dass es richtig ist, dich umzubringen, dann hätte er es schon getan.«
    So weit musste Francis ihm Recht geben, auch wenn dies zu den Überlegungen gehörte, die zugleich beruhigend und beängstigend waren.
    »Mr. Moses«, krächzte Francis atemlos, »wieso will hier niemand Miss Jones dabei helfen, diesen Kerl zu schnappen?«
    Big Black spannte augenblicklich alle Glieder an und wechselte die Stellung. »Ich helfe doch, oder? Mein Bruder auch.«
    »Sie wissen, was ich meine«, sagte Francis.
    Big Black nickte. »Nur zu gut, C-Bird, nur zu gut.«
    Er sah sich um und vergewisserte sich noch einmal, dass niemand in der Nähe war und seine Antwort belauschen konnte. Dennoch flüsterte er jedes Wort: »Eines musst du begreifen, C-Bird. Wenn dieser Kerl hier drinnen gefunden würde, hinter dem Miss Jones her ist, dann würden die erregte öffentliche Aufmerksamkeit und eventuelle behördliche Ermittlungen und die Schlagzeilen und das Fernsehen und all die Enthüllungen, die es Schlag auf Schlag gäbe, einige Leute die Karriere kosten. Viel zu viele Fragen. Unbequeme Fragen vermutlich – wieso haben Sie dies und jenes unterlassen? Mag sogar sein, dass es zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss kommt. In jedem Fall ’ne Menge Staub, der aufgewirbelt würde, und welcher Staatsbeamte, besonders wenn er Arzt oder Psychologe ist, lässt sich wohl gerne fragen, wie er einen Mörder hier in der Anstalt herumlaufen lassen konnte, ohne sich allzu viele Gedanken darum zu machen? Hier geht es um einen Skandal, C-Bird. Unendlich viel bequemer, es zu vertuschen und für ein oder zwei Leichen Ausreden zu finden. Das ist leicht. Niemand ist schuld, jeder kriegt sein Gehalt, keiner verliert seinen Job, und alles geht seinen Gang, als wäre nichts gewesen. Ist nicht anders als in jedem anderen Krankenhaus. Oder im Gefängnis, wenn man drüber nachdenkt. Weitermachen wie bisher, darum geht es bei dem Ganzen. Ist dir das nicht schon selber aufgegangen?«
    Das war es, wie er einräumen musste. Es gefiel ihm nur nicht.
    »Du darfst nicht vergessen«, fügte Big Black hinzu, »dass sich keiner allzu viele Gedanken um Verrückte macht.«
     
    Miss Luscious sah auf und warf Lucy einen finsteren Blick zu, als sie ins Vorzimmer von Dr. Gulptilil trat. Sie hantierte demonstrativ mit einigen Formularen herum, wandte sich ihrer Schreibmaschine zu und tippte wild drauflos, als Lucy an ihren Schreibtisch trat. »Der Doktor ist beschäftigt«, sagte sie, während ihre Finger

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