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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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vorzunehmen.«
    Einen Moment lang wippte Gulptilil mit seinem Sessel. »Auf einmal glauben Sie also, dass meine Mitarbeiter und ich für Sie von Hilfe sein können?«
    »Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen«, erwiderte sie und wusste natürlich, dass sie auf eine Juristenlüge zurückgriff, denn sie verstand nur allzu gut, was er sagte.
    Was wiederum Dr. Gulptilil nicht entging, denn er seufzte. »Ach, Miss Jones, Ihr mangelndes Vertrauen gegenüber dem Anstaltspersonal ist äußerst entmutigend. Trotzdem werde ich für eine solche Durchsuchung, um die Sie bitten, sorgen, und sei es auch nur, um Ihnen klar zu machen, wie töricht ein solches Ansinnen ist. Ebenso kann ich Ihnen die Namen und die Bettenaufstellung im Williams besorgen. Und damit könnten wir dann vielleicht Ihren Aufenthalt hier abschließen.«
    Sie dachte an das, worum Francis gebeten hatte, und so fügte sie hinzu: »Noch etwas. Könnte ich wohl eine Liste von Patienten haben, für die diese Woche Entlassungsverhandlungen stattfinden sollen? Falls es Ihnen nicht zu viel Mühe …«
    Er sah sie misstrauisch an. »Ja, auch die kann ich Ihnen geben. Wenn es der Wahrheitsfindung dient. Ich werde meine Sekretärin anweisen, Ihnen diese Unterlagen zukommen zu lassen.« Der Arzt besaß die Gabe, eine Lüge mühelos wie die Wahrheit erscheinen zu lassen, was Lucy Jones beunruhigend fand. »Auch wenn ich mir nicht denken kann, wo es zwischen unseren regelmäßigen Entlassungsverhandlungen und Ihren Ermittlungen einen Zusammenhang geben soll. Könnten Sie mir den wohl plausibel machen, Miss Jones?«
    »Damit würde ich gerne noch ein wenig warten.«
    »Ihre Antwort überrascht mich nicht«, sagte er steif. »Dennoch werde ich Ihnen die Liste, um die Sie gebeten haben, zur Verfügung stellen.«
    Sie nickte. »Danke«, sagte sie und wollte gehen.
    Gulptilil hielt die Hand hoch. »Aber um etwas muss ich Sie bitten, Miss Jones.«
    »Und das wäre, Doktor?«
    »Sie sollen Ihren Vorgesetzten anrufen. Den Herrn, mit dem ich vor nicht allzu langer Zeit eine so angenehme Unterhaltung hatte. Jetzt, gehe ich einfach mal davon aus, wäre ein guter Moment für diesen Anruf. Sie erlauben?«
    Er griff nach dem Apparat auf seinem Tisch und drehte ihn in ihre Richtung, so dass sie wählen konnte. Er machte keine Anstalten, den Raum zu verlassen.
     
    Lucy dröhnten immer noch die Ohren von den Warnungen ihres Chefs.
Reine Zeitverschwendung
und
Däumchen drehen
waren noch die harmlosesten seiner Beschwerden. Am häufigsten wiederholte er:
Zeigen Sie mir auf der Stelle, dass Sie echte Fortschritte gemacht haben, oder kommen Sie so schnell wie möglich zurück.
Danach war eine ärgerliche Litanei über die Fälle, die sich auf ihrem Schreibtisch türmten und die keinen Aufschub duldeten, gefolgt. Sie hatte ihm zu erklären versucht, dass die Nervenheilanstalt ein höchst ungewöhnliches Terrain für eine Ermittlung sei und nicht das Umfeld, in dem die üblichen bewährten Taktiken griffen, doch diese Entschuldigungen stießen bei ihm auf taube Ohren
. Entweder Sie legen in den nächsten Tagen etwas auf den Tisch oder Ihre Zeit ist abgelaufen
. Das waren seine letzten Worte gewesen. Sie fragte sich, wie sehr die vorausgehende Unterhaltung mit Gulptilil ihren Chef vergiftet hatte, doch das war letztlich egal. Er war ein ungestümer, tollkühner, wild entschlossener Bostoner Ire, der, wenn er sich einmal von einem Fall hatte überzeugen lassen, ihn mit äußerster Zielstrebigkeit verfolgte, eine Tugend, die ihm einen Wahlsieg nach dem anderen bescherte. Doch leider war er ebenso schnell bereit, eine Ermittlung fallen zu lassen, wenn seine ziemlich niedrige Frusttoleranz an ihre Grenzen stieß, was ihrer Meinung nach ein politischer Vorteil war, ihr aber wenig half. Und sie musste zugeben, dass die Art von Fortschritt, auf die ein Politiker wie er verweisen konnte, noch ausstand. Sie konnte nicht einmal beweisen, dass es tatsächlich eine Verbindung zwischen den Mordfällen gab, wenn man von der übereinstimmenden Vorgehensweise des Täters absah. Es war eine Situation, die einen schier in den Wahnsinn treiben konnte. Für sie war offensichtlich, dass der Mörder von Short Blond, der Engel, der Francis terrorisierte, und der Mann, der die Morde in ihrem eigenen Bezirk begangen hatte, ein und derselbe Täter war und dass er zum Greifen nahe war und sich über sie lustig machte.
    Der Mord am Tänzer war eindeutig sein Werk. Er wusste es, sie wusste es. Es passte alles

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