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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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über die Tasten flogen und die Stahlkugel der alten Selectric auf das Blatt hämmerte. »Er hat keinen Termin für Sie frei«, fügte sie hinzu.
    »Ich brauche nur eine Sekunde«, sagte Lucy.
    »Also, ich seh mal, ob ich Sie dazwischenschieben kann. Nehmen Sie Platz.«
    Die Sekretärin fand es nicht der Mühe wert, ihre Stellung zu wechseln oder auch nur den Hörer in die Hand zu nehmen, bis Lucy zurücktrat und sich auf ein klumpiges Sofa plumpsen ließ.
    Sie ließ Miss Luscious nicht aus den Augen und bohrte ihren Blick so lange in die Sekretärin, bis die endlich den Hörer nahm und dabei Lucy, während sie sprach, den Rücken kehrte. Nach einem kurzen Wortwechsel drehte sich Miss Luscious wieder um und sagte: »Der Doktor hat jetzt Zeit für Sie.« Ein geradezu lächerliches Klischee in Anbetracht der Umstände, musste Lucy denken.
    Dr. Gulptilil stand hinter seinem Schreibtisch und starrte auf den Baum direkt vor seinem Fenster. Als sie eintrat, räusperte er sich, blieb aber reglos stehen, während sie darauf wartete, dass der Arzt ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm. Nach einer Weile wandte er sich um und ließ sich mit einem kurzen Nicken auf seinen Sessel fallen.
    »Miss Jones«, sagte er vorsichtig, »es trifft sich gut, dass Sie kommen, denn es erspart mir die Mühe, Sie herzubestellen.«
    »Herzubestellen?«
    »Allerdings«, sagte Gulptilil. »Denn ich habe erst vor kurzem mit Ihrem Vorgesetzten, dem Bezirksstaatsanwalt, gesprochen. Und er ist, sagen wir einmal, sehr begierig, über Ihre Zeit hier und Ihre Fortschritte Näheres zu erfahren.« Er lehnte sich mit einem Krokodilslächeln zurück. »Aber Sie haben eine Bitte an mich? Was führt Sie zu mir?«
    »Ja«, erwiderte sie langsam. »Ich hätte gerne die Namen und Akten sämtlicher Patienten im Williams, die im Schlafsaal in dem zweiten Stock des Hauses wohnen, und wenn möglich, eine Aufstellung, wo wer sein Bett hat, so dass ich Namen, Diagnosen und Wohnbereich zuordnen kann.«
    Dr. Gulptilil nickte und lächelte weiter. »Das betrifft den Schlafsaal, der dank Ihrer Ermittlungen in großem Aufruhr ist?«
    »Ja.«
    »Nach dem Durcheinander, das Sie angerichtet haben, wird es eine Weile dauern, bis wieder Ordnung herrscht. Versprechen Sie mir, falls ich Ihnen tatsächlich diese Unterlagen gebe, dass Sie vor allen weiteren Aktivitäten in diesem Klinikbereich zuerst mit mir Rücksprache nehmen?«
    Lucy biss die Zähne zusammen. »Ja. Ich wollte eigentlich den ganzen Trakt durchsuchen lassen.«
    »Durchsuchen? Sie meinen, Sie wollen da durchgehen und in den wenigen persönlichen Dingen, die diese Patienten besitzen, herumwühlen?«
    »Ja. Ich bin der Auffassung, dass es immer noch schlüssiges Beweismaterial gibt, und ich habe Grund zu der Annahme, dass sich etwas davon in diesem Schlafsaal befindet, deshalb bitte ich um Ihre Erlaubnis, ihn zu durchsuchen.«
    »Beweismittel? Und worauf stützen Sie Ihre Annahme?«
    Lucy zögerte, bevor sie sagte: »Ich verfüge über die verlässliche Information, dass einer der Patienten in diesem Wohnbereich im Besitz eines blutverfleckten T-Shirts war. Die Art von Short Blonds Verwundung legt nahe, dass der Täter seine Kleidung besudelt hat.«
    »Ja, das leuchtet ein. Aber hat die Polizei nicht ein paar blutige Gegenstände bei dem armen Lanky gefunden, als sie ihn verhaftet haben?«
    »Ich glaube, dass diese geringfügigen Blutspuren von jemand anderem an ihm hinterlassen wurden.«
    Dr. Gulptilil lächelte. »Ach«, sagte er, »natürlich. Von dieser Jack-the-Ripper-Neuauflage. Ein Mann mit überdurchschnittlicher krimineller Intelligenz, nein, was sage ich, ein kriminelles
Genie
. Und zwar hier in unserer Nervenheilanstalt. Nein? Weit hergeholt und unwahrscheinlich, doch eine Erklärung, die die Fortsetzung Ihrer Ermittlungen rechtfertigen würde. Und was dieses angebliche blutverschmierte T-Shirt betrifft … kann ich das wohl mal sehen?«
    »Ich verfüge nicht darüber.«
    Er nickte. »Seltsam, Miss Jones, aber irgendwie hatte ich mit dieser Antwort gerechnet. Würde eine solche Durchsuchung, für die Sie meine Erlaubnis einholen wollen, nicht gewisse juristische Probleme mit sich bringen, was mögliche Funde betrifft?«
    »Nein. Das hier ist eine staatliche Einrichtung, und Sie haben das Recht, jeden beliebigen Bereich nach Schmuggelgut oder anderen verbotenen Substanzen oder Gegenständen zu durchsuchen. Ich würde Sie lediglich darum bitten, eine solche Routineuntersuchung in meiner Anwesenheit

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