Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
eine Natter an meiner Brust passieren sollen.«
    »Ist es aber nicht.«
    »Nein, leider. Ist es nicht. Aber trotzdem war es auch wieder nicht allzu weit davon entfernt. Ich konnte sogar noch meinen Text sagen, C-Bird. ›Ich sterb, Ägypten, sterbe …‹, was eine Genugtuung war.«
    »Und wer hat das gehört?«
    »Das weißt du doch.«
    Ich versuchte es andersherum. »Hast du gekämpft, Cleo?«
    »Ich habe immer gekämpft, C-Bird. Mein ganzes, trauriges, gottverdammtes Leben war ein einziger Kampf.«
    »Aber hast du mit dem Engel gekämpft, Cleo?«
    Sie grinste und schwang den Pingpongschläger in der Luft, so dass sie den Rauch aus ihrer Zigarette verwirbelte. »Natürlich hab ich das, C-Bird. Du kennst mich doch. Ich hab mich nicht so leicht unterkriegen lassen.«
    »Er hat dich getötet?«
    »Nein. Nicht genau, aber mehr oder weniger doch. Es war wie immer in der Klinik, C-Bird. Die Wahrheit war irre und kompliziert und so wahnsinnig wie wir alle.«
    »Hab ich mir gedacht«, antwortete ich.
    Sie lachte leise. »Ich wusste, dass du es sehen kannst. Sag’s ihnen jetzt, so wie du damals versucht hast, es ihnen zu sagen. Es wäre leichter gewesen, wenn sie auf dich gehört hätten. Aber wer hört schon auf die Irren?«
    Über diese Bemerkung mussten wir beide grinsen, denn von allem, was wir in diesem Moment herausbrachten, traf es die Wahrheit am ehesten.
    Ich holte tief Luft. Der Schmerz über den Verlust wallte plötzlich in mir auf, und ich fühlte eine Art Vakuum in mir.
    »Ich vermisse dich, Cleo.«
    »Ich vermisse dich auch, C-Bird. Ich vermisse das Leben. Wie wär’s mit einer Tischtennispartie? Ich schummel sogar zu deinen Gunsten.«
    Sie lächelte, bevor sie verblasste.
    Ich seufzte und drehte mich wieder zur Wand. Ein Schatten schien darüberzuhuschen, und der nächste Laut, den ich hörte, war die Stimme, die ich vergessen wollte.
    »Klein C-Bird will Antworten, bevor er stirbt, nicht wahr?«
    Jedes Wort war verwirrend, ein wenig wie pochende Kopfschmerzen, als donnerte jemand an die Tür meiner Vorstellungskraft. Ich zuckte zurück und fragte mich, ob tatsächlich jemand bei mir einzubrechen versuchte, und ich kauerte mich hin und versteckte mich vor der Dunkelheit, die ins Zimmer kroch. Ich kramte nach mutigen Worten, die ich ihm entgegenschleudern würde, doch mir fielen keine ein. Ich spürte, wie meine Hand zitterte, und merkte, dass ich mich am Rand eines gewaltigen Abgrunds befand, doch in irgendeinem Winkel fand ich eine Antwort.
    »Ich habe alle Antworten«, sagte ich. »Hatte ich die ganze Zeit.«
    Allerdings war das die härteste Erkenntnis, die sich mir je aufgedrängt hatte. Sie erschreckte mich fast so sehr wie die Stimme des Engels. Ich versuchte, sie zurückzudrängen, und während ich mich duckte, hörte ich, wie nebenan das Telefon klingelte. Das schrille Geräusch steigerte nur noch meine Nervosität. Nach einer Weile war es still, und ich hörte, wie sich der Anrufbeantworter, den meine Schwestern für mich gekauft hatten, einschaltete. »Mr. Petrel? Sind Sie da?« Die Stimme kam von fern, klang aber vertraut. »Mr. Klein vom Wellness Center. Sie sind nicht zu dem Termin erschienen, wie Sie mir versprochen hatten. Bitte gehen Sie an den Apparat. Mr. Petrel? Francis? Bitte melden Sie sich in der Praxis, sobald Sie diese Nachricht bekommen, ansonsten sehe ich mich gezwungen, etwas zu unternehmen …«
    Ich blieb wie angewurzelt hocken. Ich hörte, wie der Engel sagte: »Merkst du denn nicht, C-Bird, wie du in einer Kiste sitzt und nicht mehr rauskommst?«
    Ich schloss die Augen, doch das tat mir nicht gut. Es war so, als hätte ich die Lautstärke hochgedreht.
    »Sie werden dich holen, C-Bird, und diesmal ist es für immer. Sie werden denken: Schluss mit den kleinen Apartments. Schluss mit dem Fischezählen für den Tierschutzverein. Schluss mit Francis draußen auf der Straße mitten im normalen Alltagsleben. Schluss damit, dass du deinen Schwestern oder deinen alten Eltern zur Last fällst, Francis, denen du sowieso nie allzu sehr am Herzen gelegen hast, nachdem sie sahen, was aus dir werden würde. Nein, sie werden Francis für den Rest seiner Tage wegschließen wollen. Eingesperrt, in der Zwangsjacke, ein sabberndes Häufchen Elend. Das wird aus dir, Francis. Das siehst du doch wohl selbst …«
    Der Engel lachte ein wenig, bevor er hinzufügte: »Es sei denn, ich bring dich vorher um.«
    Diese Worte waren so scharf wie jede Messerklinge.
    Ich wollte sagen: »Worauf wartest du dann

Weitere Kostenlose Bücher