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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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noch?«, aber stattdessen rutschte ich nur auf meinem Platz herum und krabbelte wie ein Baby quer über den Boden zur Wand mit der Schrift, während mir die Tränen über das Gesicht liefen.
    Er war direkt bei mir, und ich verstand nicht, wieso er nicht längst zugeschlagen hatte. Ich versuchte, seine Gegenwart abzublocken, als könnte ich mein Heil allein in der Erinnerung finden, wo ich Lucys gebieterische Forderung hörte, die durch all die Jahre hindurch zu mir drang.
    Lucy trat nach vorn. »Niemand darf etwas anrühren«, forderte sie. »Das hier ist ein Tatort!«
    Mr. Evans schien von ihrer Erscheinung verwirrt und stotterte eine Antwort, die keinen unmittelbaren Sinn ergab. Dr. Gulptilil, den ihr verändertes Äußere ebenfalls verblüffte, schüttelte den Kopf und stellte sich ihr ganz unauffällig in den Weg, als könnte er sie dadurch davon abhalten, weiterzugehen. Die Leute vom Sicherheitsdienst wie auch die Moses-Brüder traten unruhig von einem Bein aufs andere.
    »Sie hat Recht«, sagte Peter energisch. »Es sollte die Polizei gerufen werden.«
    Die Stimme von Fireman schien irgendwie durch Evans’ Verblüffung zu dringen, so dass er zu Peter herumschnellte und sagte, »Was, zum Teufel, wissen Sie denn schon?«
    Gulptilil hielt die Hand in die Höhe und schüttelte weder den Kopf, noch nickte er. Stattdessen machte er ein paar nervöse, hilflose Bewegungen, als wollte er amöbenhaft seinen birnenförmigen Körper in eine andere Stellung bringen. »Ich wüsste wirklich nicht, wozu das gut sein sollte«, sagte er ruhig. »Hatten wir das nicht alles schon bei dem letzten Todesfall in dieser Station?«
    Lucy Jones schnaubte. »Allerdings, ich denke schon.«
    »Ja, sicher. Ein älterer Patient verstarb an plötzlichem Herzversagen. Was Sie, wenn ich mich recht entsinne, ebenfalls als einen Mordfall untersuchen wollten.«
    Lucy wies auf Cleos verunstaltete Leiche, die groteskerweise immer noch im Treppenhaus hing. »Ich möchte doch sehr bezweifeln, dass das da plötzlichem Herzversagen zuzuschreiben ist.«
    »Und ebenso wenig trägt es die Zeichen Ihrer Fälle«, entgegnete Gulp-a-pill.
    »Das tut es doch«, warf Peter energisch ein. »Der abgetrennte Daumen.«
    Der Arzt schnellte herum und verbrachte ein paar Sekunden damit, auf Cleos Hand zu starren und dann wieder auf den makabren Anblick auf dem Boden. Wie sooft schüttelte er den Kopf, erwiderte aber: »Vielleicht. Doch dann sollten wir, bevor wir die örtliche Polizei einschalten und all die entsprechenden Unannehmlichkeiten auf uns nehmen, diesen Todesfall erst einmal selbst untersuchen und sehen, ob wir zu einem Konsens kommen können. Denn meine erste Untersuchung dieses Falls sagt mir keineswegs, dass wir es hier mit einem Tötungsdelikt zu tun haben.«
    Lucy Jones sah ihn missbilligend an, wollte etwas erwidern, überlegte es sich aber anders. »Wie Sie wünschen, Doktor«, sagte sie. »Sehen wir uns den Fundort an. Ganz wie Sie wünschen.«
    Lucy folgte dem Arzt ins Treppenhaus. Peter und Francis traten beiseite und sahen ihnen zu, wie sie vorausgingen und Mr. Evil sich ihnen anschloss, nachdem er Peter mit einem wütenden Blick taxiert hatte. Die anderen blieben alle im Eingang stehen, als könnte eine noch größere Nähe die magische Wirkung des Anblicks vor ihnen bedenklich verstärken. Francis sah in mehr als einem Augenpaar die Nervosität und Angst, und ihm kam der Gedanke, dass das Porträt von Cleos Tod die gewöhnlichen Grenzen zwischen Normalität und Geisteskrankheit überstieg; es beunruhigte die Gesunden wie die Kranken gleichermaßen.
    Fast zehn Minuten lang liefen Lucy und Dr. Gulptilil langsam in der Enge des Treppenhauses herum, schauten beide in jede Ecke und ließen keinen Zentimeter aus. Francis sah, wie Peter die beiden aufmerksam beobachtete und ihren Blicken folgte, als könnte er ihre Gedanken in seinem eigenen Kopf abspeichern. Und während er dies tat, fing Francis allmählich an zu sehen. Es war ein wenig wie eine Kamera ohne die richtige Tiefenschärfe, so dass alles undeutlich und verschwommen ist, doch wie er so dastand, gewann das Bild an Klarheit und Kontur, und er sah Cleos letzte Sekunden vor sich.
    Endlich drehte sich Dr. Gulptilil zu Lucy um. »Also, dann sagen Sie mal, Madame Staatsanwältin, wie das hier die Kriterien eines Tötungsdelikts erfüllt?«
    Sie wies auf den Daumen. »Mein Täter hat immer Finger abgetrennt. Sie wäre die Fünfte. Also der Daumen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sehen Sie sich

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