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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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um«, sagte er langsam. »Keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Bisher hat sich noch niemand gemeldet, der in diesem Trakt hier gestern Nacht eine Störung bemerkt hätte. Ich habe ehrlich gesagt Mühe damit, mir vorzustellen, dass Ihr Mörder – oder auch jeder andere Mörder – in der Lage sein sollte, eine Frau von dieser Körperfülle und Kraft in eine Schlinge zu zwängen, ohne dabei die geringste Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und das Opfer hier … nun ja, was erinnert Sie an diesem Todesfall sonst noch an die anderen?«
    »Nichts, noch nicht«, sagte Lucy Jones.
    »Glauben Sie, Miss Jones«, sagte der Doktor vorsichtig, »dass Selbstmord in dieser Klinik etwas so Ungewöhnliches ist?«
    Und da, dachte Francis, haben wir es.
    »Selbstverständlich nicht«, antwortete Lucy.
    »Und war nicht die Frau, um die es hier geht, krankhaft auf den Mord an der Lernschwester fixiert?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Vielleicht kann Mr. Evans Sie ins Bild setzen?«
    Evans trat durch die Tür. »Sie schien ein weitaus größeres Interesse an dem Fall zu haben als irgendjemand sonst. Sie hatte mehrere beträchtliche Ausbrüche, bei denen sie behauptete, etwas über den Todesfall zu wissen. Falls irgendjemanden Schuld trifft, dann mich, weil ich nicht erkannt habe, wie kritisch diese Obsession inzwischen war …«
    Dieses ›mea culpa‹ sagte er in einem Ton, der das genaue Gegenteil zum Ausdruck brachte.
Mit anderen Worten hält er sich selbst für den Letzten, der dafür verantwortlich ist
, dachte Francis. Er sah zu Cleos aufgeblähtem Gesicht hinauf und fand die gesamte Situation auf einmal surreal. Leute, die buchstäblich unter den Füßen einer Toten hin und her argumentierten, was tatsächlich stattgefunden hatte. Er versuchte, sie sich als Lebende ins Gedächtnis zu rufen, hatte aber Probleme damit. Er versuchte, Trauer zu empfinden, doch stattdessen fühlte er sich vor allem erschöpft, als sei die emotionale Wirkung ihrer Entdeckung einer anstrengenden Bergbesteigung vergleichbar. Wieder sah er sich um, verhielt sich ruhig und fragte sich:
Was ist wirklich passiert?
    »Miss Jones«, sagte Dr. Gulptilil, »der Tod ist uns in dieser Anstalt vertraut. Diese Tat fügt sich in ein Schema ein, das nicht neu für uns ist. Glücklicherweise kommt es nicht so häufig vor, wie man vielleicht meinen möchte, aber dennoch kann es passieren, weil wir zuweilen den psychischen Druck, der auf manchen Patienten lastet, nicht richtig eingeschätzt haben. Ihr mutmaßlicher Killer ist ein sexueller Triebtäter. Doch hier haben wir keinerlei Hinweise auf derlei Motive. Stattdessen haben wir es mit einer Frau zu tun, die aller Wahrscheinlichkeit ihre eigene Hand verstümmelt hat, als ihre Wahnvorstellungen hinsichtlich des früheren Mordfalls außer Kontrolle gerieten. Ich vermute mal, wir werden unter ihren persönlichen Sachen eine Schere oder Rasierklinge versteckt finden. Darüber hinaus vermute ich, dass dieses Bettlaken, aus dem sie eine Schlinge gemacht hat, aus ihrem eigenen Bett stammt. Leider verfügt ein Psychot, der sich unbedingt das Leben nehmen will, über einigen Einfallsreichtum. Tut mir leid …«
    Er wies auf das wartende Sicherheitspersonal.
    »… Wir müssen diesen Wohnbereich wieder für die Alltagsroutine freigeben.«
    Francis erwartete, dass Peter etwas sagte, doch Fireman hielt den Mund.
    »Und, Miss Jones«, fügte Gulp-a-pill hinzu, »ich würde gerne, so schnell es Ihre Zeit erlaubt, über die Wirkung Ihres, nun ja, nennen wir es einmal,
Haarschnitts
reden.«
    Damit drehte sich der Chefarzt zu Mr. Evil um und fügte hinzu: »Lassen Sie das Frühstück servieren. Fangen Sie mit den normalen Vormittagsaktivitäten an.«
    Evans nickte. Er sah zu Francis und Peter hinüber und winkte ihnen unauffällig mit der Hand. »Sie beide auch, bitte zurück in den Speisesaal«, sagte er. Die Bemerkung war in höflichem Ton ausgesprochen, brachte aber einen Befehl zum Ausdruck, wie ihn jeder Gefängniswärter erteilen konnte.
    Peter schien sich gegen jede Anweisung zu sträuben, die Evans ihm gab. Er ignorierte ihn und sah Dr. Gulptilil an. »Ich muss Sie sprechen«, sagte er. Evans knurrte, doch Gulp-a-pill nickte.
    »Selbstverständlich, Peter«, sagte er. »Ich habe mit einer Unterredung gerechnet.«
    Lucy schien zu seufzen und einen letzten Blick auf Cleos Leiche zu werfen. Francis konnte nicht sagen, ob es Entmutigung war, was über ihr Gesicht huschte, oder eine andere Form von Resignation. Er sah

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