Die Anstalt
den du machst, an mich denken.«
Und damit stieß er ihr die Messerklinge ins rechte Knie und drehte sie brutal einmal um. Sie schrie, als ein Schmerz, der alles überstieg, was sie je in ihrem Leben gefühlt hatte, ihr sämtliche Muskeln und Sehnen zusammenzog. Schwarze Bewusstlosigkeit durchflutete sie, und sie fiel zurück, während ihr nur schemenhaft bewusst war, dass sie allein war und dass der Engel sie zusammengeschlagen, verwundet, blutend, halb tot und womöglich verkrüppelt und mit einem Versprechen hatte liegen lassen, das weit schlimmer als alles andere war.
Das Metall in der Tür kreischte ein letztes Mal, und ein dunkler Spalt öffnete sich zwischen Stahl und Rahmen. Francis konnte den Flur dahinter sehen, der wie ein offener Mund klaffte und auf sie wartete. Der Retardierte richtete sich plötzlich auf und warf die provisorische Brechstange zu Boden, so dass sie seitlich über den Flur schepperte. Er holte aus und zog Peter weg, bevor er ein paar Schritte nach hinten machte. Für einen Moment senkte er den Kopf wie ein Stier in der Arena voller Wut über den herumstolzierenden Matador, dann preschte er mit einem gewaltigen Schlachtruf nach vorn und warf sich mit einem mächtigen Dröhnen gegen die Tür. Er taumelte nach hinten, wackelte mit dem Kopf und keuchte, während ihm eine dünne Spur dunkles Blut aus dem Haaransatz zwischen den Augen hindurch und über den Nasenrücken lief. Er schüttelte den Kopf und ging für die zweite Attacke in Stellung. Sein Gesicht zeugte von einer eisernen Entschlossenheit, dann stieß er einen zweiten Wutschrei aus und stürmte gegen die Tür. Diesmal brach sie auf und schwang zur Seite. Der Bullige stolperte in den Flur und schlitterte über die dunkle Leere, bis er stehen blieb.
Peter rannte, dicht gefolgt von Francis, los. Und hinter ihnen stürmte die ganze Schar Verrückter aus dem Schlafsaal, die, von der Energie des Augenblicks getrieben, viel von ihrem Wahnsinn hinter sich ließen und einfach nur taten, was getan werden musste. Napoleon scharte die Männer um sich, winkte mit dem Arm über dem Kopf, als trüge er ein Schwert, und schrie: »Vorwärts! Vorwärts!« Newsman sagte etwas über die Schlagzeilen in der nächsten Morgenausgabe, in die sie alle eingehen würden, wie sie da den Anstaltsflur entlangstürzten, ein fliegender Keil von Männern mit einem einzigen Ziel.
In dem kurzen Moment der Verwirrung, die nach ihrem Ausbruch herrschte, sah Francis, wie der Retardierte sich den Staub von den Kleidern wischte und im Hochgefühl seines Ruhms gleichmütig in den Schlafsaal zurückkehrte. Francis konnte den Mann nur halb sehen, wie er sich auf sein Bett plumpsen ließ, seine Raggedy-Andy-Puppe in die Arme nahm und sich dann zur Tür umsah, wo er mit einem Ausdruck größter Befriedigung sein Werk der Zerstörung betrachtete. Francis riss sich los, als er sah, wie Peter, so schnell er konnte, zur Pflegestation sprintete. Die einzige Schreibtischlampe an der Station verbreitete einen schwachen Schimmer, und Francis konnte die Umrisse einer am Boden liegenden Gestalt ausmachen. Er rannte in diese Richtung, und im selben Moment sah er die Moses-Brüder durch die gegenüberliegende Treppenhaustür stürmen, und als sie am Frauenschlafsaal vorüberrasten, waren von dort die ersten Schreie zu hören, hohe, schrille Töne, die sich im beschleunigten Rhythmus der Angst und Panik zu einer wirren Symphonie vereinten.
Peter war neben Lucy in die Knie gegangen, und Francis zögerte einen Moment aus Furcht, sie kämen zu spät und sie sei schon tot. Doch dann hörte er durch all den anderen Lärm hindurch, der auf einmal den ganzen Flur erfasste, Lucy vor Schmerzen stöhnen.
»Mein Gott!«, sagte Peter, »sie ist schwer verletzt.« Er hatte ihre Hand genommen und hielt sie fest umschlossen, während er einen Moment überlegte, wie er ihr helfen konnte. Peter sah zu Francis hoch und dann zu den Moses-Brüdern, die atemlos an der Pflegestation eintrafen. »Wir müssen Hilfe holen«, sagte er.
Little Black nickte, griff nach dem Telefon, sah aber augenblicklich, dass es ihm mit der durchgeschnittenen Leitung nichts nützte. Einen Moment überlegte er angestrengt und warf einen kurzen Blick über die Pflegestation, bevor er sagte, »Geh noch mal rauf und rufe von da aus Hilfe.«
Big Black drehte sich mit einem vor Schock erstarrten Gesicht zu Francis um. »Sie sollte das Wort über die Gegensprechanlage oder das Telefon sagen … wir haben nur ein paar Sekunden
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