Die Anstalt
gebraucht, als wir euch alle gehört haben …«
In Lucys Körper tobten unvorstellbare Schmerzen.
Nur am Rande nahm sie Peter an ihrer Seite wahr und die Moses-Brüder und Francis in ihrer Nähe. Sie schienen alle an einem fernen Ufer zu sein, das sie gegen die reißende Strömung der Bewusstlosigkeit verzweifelt zu erreichen suchte. Sie wusste, dass sie etwas Wichtiges zu sagen hatte, bevor sie sich der Agonie ergab, die sie umfing, und sich selig in den dunklen Abgrund fallen ließ. Sie biss sich kräftig auf die blutige Lippe und brachte zwischen all den Wunden und der Verzweiflung, die diese Nacht ihr zugefügt hatte, und von dem Gedanken an das Versprechen des Engels getrieben, mühsam ein paar Worte heraus. »Er ist noch da«, flüsterte sie. »Bitte findet ihn. Beendet es jetzt.«
Sie wusste nicht, ob sie sich irgendwie verständlich gemacht hatte oder ob irgendjemand sie hatte hören können. Sie war sich nicht einmal ganz sicher, ob ihr die Worte, die sie in ihrem Kopf geformt hatte, tatsächlich über die Lippen gekommen waren. Doch sie begriff, dass sie es zumindest versucht hatte, und mit einem tiefen Seufzer gab sie der Bewusstlosigkeit nach, ohne zu wissen, ob sie je wieder daraus auftauchen würde. Sie begriff nur, dass diese entsetzlichen Schmerzen verschwinden würden, und sei es auch nur für einen Moment.
»Lucy, verdammt! Bleib hier!«, schrie ihr Peter ins Gesicht, doch ohne großen Erfolg. Dann sah er auf und sagte: »Sie ist bewusstlos.« Er legte ihr das Ohr an die Brust und horchte auf ihren Herzschlag. »Sie lebt noch«, sagte er, »aber …«
Big Black warf sich neben ihr auf den Boden und presste seine Hand auf ihre Kniewunde, aus der stoßweise Blut herausquoll. »Kann jemand eine Decke holen?«, brüllte er. Francis drehte sich um und sah, wie Napoleon in Richtung Schlafsaal stürmte.
Am Ende des Flurs kam Little Black zurückgerannt. »Der Krankenwagen ist bald da«, rief er. Peter trat, immer noch zu Lucy vorgebeugt, ein Stück beiseite. Francis sah, wie er nach unten blickte, und beide Männer entdeckten im selben Moment Lucys Pistole auf dem Boden. In dieser Sekunde schienen alle Vorgänge im Amherst-Gebäude für Francis ins Zeitlupentempo zu wechseln, und er hatte plötzlich begriffen, was Lucy gesagt und worum sie gebeten hatte.
»Der Engel«, sagte er ruhig zu Peter und den Moses-Brüdern, »wo ist er hin?«
Das war es, das war der Moment, als sich all das, was in meinen Augen mein Verrücktsein ausmachte, und all das, was mich eines Tages wieder gesund machen würde, wie unter einem einzigen großen Elektroschock vereinte. Der Engel brüllte, seine Stimme war wie ein wütendes Getöse. Ich fühlte seinen Griff an meinem Arm, mit dem er mich daran hindern wollte, zur Wand zurückzukehren, mich an den Stift in meiner Hand zu klammern und weiterzuschreiben; er rang mit mir und versuchte, mich mit aller Gewalt daran zu hindern, in krakeligen Reihen aufzuschreiben, was als Nächstes kam. Es war ein harter Kampf, und bei jedem Wort steckte ich Prügel von ihm ein. Ich wusste, dass für ihn alles daran hing, mich am Weiterschreiben zu hindern. Er wollte mich sofort, kurz vor der Fertigstellung, aufgeben, einknicken, zusammenbrechen und sterben sehen.
Ich wehrte mich, rappelte mich immer wieder auf und setzte den Stift an das letzte leere Stück an der Wand. Kurz vor dem Zusammenbruch, kurz davor, wie Glas in tausend Scherben zu zerspringen, kreischte ich, stritt mich mit ihm, brüllte ihn an.
Peter sah auf und sagte: »Aber wo …«
Peter sah auf und sagte: »Aber wo …« Francis riss sich von Lucys ausgestreckter Gestalt los und blickte über den Flur. In der Ferne konnte er plötzlich die heulende Sirene eines Krankenwagens hören, und er spekulierte wild, ob es womöglich der Gleiche war, mit dem er selbst an jenem Abend ins Western State eingeliefert worden war.
Francis suchte zuerst in die eine Richtung und dann in die andere die Wände ab, in Wahrheit jedoch horchte er in sich hinein. Er sah den Flur entlang am Schlafsaal der Frauen vorbei zu dem Treppenhaus, in dem sich Cleo umgebracht und der Engel ihr die Hand verstümmelt hatte. Er schüttelte den Kopf und sagte sich:
Nein. Nicht da lang, dort wäre er den Moses-Brüdern direkt in die Arme gelaufen.
Dann drehte er sich um und überprüfte die anderen Fluchtmöglichkeiten. Das Treppenhaus am Ende des Männertrakts. Er schloss die Augen und überlegte:
Du wärst heute Nacht nicht hierher gekommen, wenn du
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