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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nach.«
    Francis vermutete, dass keiner der beiden Männer die Waffe in Peters Hand bemerkt hatte. Er holte tief Luft und versuchte, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, den Engel zu finden, und ging mit zaghaften Schritten die Stufen hinunter voran.
    Er hatte das Gefühl, als streckten Hitze und Dunkelheit ihre Fangarme aus und versuchten mit jedem Schritt, ihn sich Stück für Stück einzuverleiben. Es war unmöglich, sich so leise zu bewegen, wie er wollte, doch die Unsicherheit ließ alles lauter erscheinen, so dass er jedes Mal, wenn er den Fuß auf den Boden setzte, glaubte, er verursachte ein laut dröhnendes Geräusch, während in Wahrheit alle Laute gedämpft wurden. Peter war direkt hinter ihm und schob ihn ein wenig vorwärts, als sei hier Eile geboten. Vielleicht ist es das ja auch, dachte Francis. Vielleicht müssen wir den Engel einholen, bevor ihn die Nacht verschluckt und er verschwindet.
    Der Keller war wie eine riesige Höhle, geräumig und nur von einer Glühlampe erleuchtet. Pappkartons und leere Kanister, die als Behälter längst ausgedient hatten, machten ihren Weg zum Hindernislauf. Auf allem schien eine dünne Rußschicht zu liegen, und sie bewegten sich so schnell wie möglich zwischen ausrangierten Bettgestellen und moderfleckigen Matratzen und einem dichten Dschungel an unbrauchbaren, alten Sachen hindurch. In einer Ecke lag nutzlos ein riesiger schwarzer Boiler, und ein einziger Lichtstrahl machte ihnen klar, wo ein immenser Heizungsrohrschacht durch eine Wand stieß und einen Tunnel bildete, der schnell zu einem schwarzen Loch zu werden drohte, in dem die ganze Welt versank.
    »Da unten«, sagte Francis und zeigte in die Richtung. »Da ist er rein.«
    Peter zögerte. »Wie will er da drinnen sehen, wo es langgeht?«, fragte er. Er wies auf das endlose, klaffende Schwarz des Tunnels. »Und was denkst du, wo uns das hinführt?«
    Francis glaubte, dass die Antwort auf diese Frage weitaus komplizierter war, als Fireman sie gemeint hatte. »Der kommt entweder in einem anderen Gebäude raus, wie dem Williams oder dem Harvard, oder endet am Kraftwerk. Und der Engel braucht kein Licht. Er muss nur weitergehen, weil er weiß, wohin der Tunnel führt.«
    Peter nickte. Ihm waren ein paar Dinge durch den Kopf gegangen. Erstens hatten sie keine Ahnung, ob der Engel wusste, dass sie ihm folgten, was vielleicht von Vorteil war, vielleicht aber auch nicht. Und zweitens, egal, welche Route der Engel auch bei seinen früheren Ausflügen ins Amherst genommen hatte, war es heute etwas anderes, da er im Western State Hospital von jetzt ab nicht mehr sicher war. Also hatte der Engel diese Nacht vor, zu verschwinden.
    Doch wie, konnte Peter nicht sagen.
    Francis hatte ganz ähnliche Überlegungen angestellt, doch er begriff noch etwas anderes: Sie durften die rasende Wut des Engels nicht unterschätzen.
    Die beiden Männer drangen zügig weiter in die Dunkelheit vor.
    Es war anstrengend, sich durch den Heizungsschacht zu manövrieren. Der Tunnel war für nichts anderes als die Versorgung mit Dampf gedacht und gewiss nicht als unterirdischer Durchgang zwischen den Gebäuden. Doch auch wenn er nicht dafür angelegt worden war, so wurde er gleichwohl als solcher genutzt. Francis ertastete genug Platz, um gebückt durch einen Hohlraum vorwärts zu stolpern, der sich besser für Ratten oder andere Nager eignete, für die das hier paradiesische Verhältnisse waren. Es war ein archaischer Ort, in einem anderen Zeitalter gebaut und all die Jahre dem allmählichen Verfall überlassen – für jeden außer dem Mörder, den sie jagten, von fraglichem Nutzen.
    Sie tasteten sich voran, blieben alle paar Meter stehen, um auf Geräusche zu achten, die Hände wie ein Paar Blinde von sich gestreckt. Es war drückend heiß, und schon bald hatten sie Schweißperlen auf der Stirn. Sie fühlten beide, wie rußverschmiert sie waren, doch sie kämpften sich immer weiter in den Tunnel vor, zwängten sich an jedem Hindernis vorbei und hielten sich vorsichtig an den Seiten des Heizungsschachts fest, einer alten Röhre, die unter ihren Händen zu zerbröseln schien.
    Francis’ Atem kam in kurzen, hektischen Stößen. Jeder Atemzug, den seine Lungen forderten, war voller Staub und Moder, und bei jedem Schritt hatte er den Geschmack von jahrelanger Leere auf der Zunge, und er überlegte schon, ob er sich verirrt hatte oder sich bei seinem mühsamen Vormarsch durch den Tunnel selbst fand.
    Peter hielt sich direkt hinter seinem

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