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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht von einem Notausgang wüsstest. Du hast alles abgewogen, was schief gehen konnte, aber viel wichtiger noch, du hast gewusst, dass du irgendwohin verschwinden konntest, um die letzten Momente von Lucys Leben auszukosten. Die hättest du mit niemandem teilen mögen. Du brauchtest also einen Ort, wohin du mit deiner Dunkelheit allein sein konntest. Ich kenne dich, und ich weiß, was du brauchst, und gleich werde ich wissen, wo du verschwunden bist.
    Francis erhob sich und ging langsam zu den Eingangstüren. Doppelt verriegelt. Er schüttelte den Kopf. Zu zeitraubend. Zu unsicher. Er hätte die beiden Schlüssel herausziehen und aufschließen müssen, wobei ihn der Sicherheitsdienst möglicherweise gesehen hätte. Und dann die Türen hinter sich abschließen, um nicht auf seine Flucht aufmerksam zu machen.
Da lang nicht,
brüllten Francis’ Stimmen alle zustimmend.
Du weißt es. Du kannst es sehen.
Er wusste nicht, ob ihr Geschrei Ermunterung oder Verzweiflung bedeutete. Francis drehte sich ein Stück und blickte in Richtung der ausgehebelten Schlafsaaltür. Wieder schüttelte er den Kopf. Da hätte der Engel an ihnen allen vorbeilaufen müssen, und das wäre unmöglich gewesen, selbst für einen Mann, der stolz darauf war, zu morden und unsichtbar zu sein.
    Und dann sah Francis die Stelle.
    »Was hast du, C-Bird?«, fragte Peter.
    »Ich weiß, wo«, antwortete Francis. Die Sirene des Krankenwagens kam näher, und Francis glaubte, auf den Wegen des Klinikgeländes Schritte zu hören, die alarmiert zum Amherst-Bau hasteten. Er wusste, dass das unmöglich war, aber trotzdem bildete er sich ein zu hören, wie Gulp-a-pill und Mr. Evil und alle anderen ebenfalls angerannt kamen.
    Francis durchquerte den Flur und griff nach der Tür, die zum Keller mit den unterirdischen Heizungsrohren führte.
    »Hier«, sagte er bedächtig.
    Und wie ein leicht unsicherer Zauberkünstler bei einer Kinder-Geburtstagsfeier zog er die Tür auf, die hätte verschlossen sein müssen. Francis blieb auf dem oberen Treppenabsatz stehen und kämpfte zwischen Angst und einem unausgesprochenen, diffusen Pflichtgefühl. In seinem ganzen Leben hatte er an die Tugend der Tapferkeit nicht viel Gedanken verschwendet, sondern war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich so einigermaßen von einem Tag zum anderen durchzuhangeln. Doch in diesem Moment begriff er, dass jeder Schritt in diesen Keller hinunter eine Stärke voraussetzte, die er sich noch nie abverlangt hatte. Unter ihm warf eine nackte Glühbirne Schatten in die Ecken, reichte aber kaum, um die Treppe in das unterirdische Gemäuer auszuleuchten. Den schwachen Lichtkegel hüllte tiefe Dunkelheit ein. Er fühlte die abgestandene, heiße Luft, und es roch muffig alt und schmutzig, als ob all die schrecklichen Gedanken und zerstörten Hoffnungen von Generationen von Patienten, die in der Welt darüber ihre Geisteskrankheiten auslebten, in Form von Staub, Spinnweben und Dreck in den Keller durchgesickert waren. Es war ein Ort, an dem es von Tod und Krankheit raunte, und er wusste, als er vor dem Abstieg noch einmal stehen blieb, dass es ein Ort war, an dem sich der Engel wohl fühlen würde.
    »Da runter«, sagte er und widersprach damit den Stimmen, die er in seinem eigenen Kopf rufen hörte:
Geh da nicht runter!
Doch er ignorierte alles gute Zureden. Peter war plötzlich neben ihm. In der rechten Faust hielt Fireman Lucys Pistole. Francis hatte nicht gesehen, dass er sie in der Ecke, in die sie gerutscht war, aufgehoben und an sich genommen hatte, doch er war dankbar, dass Peter sie hatte. Peter war Soldat gewesen, und Francis wusste sofort, dass Fireman damit umgehen konnte. In der schwarzen Region, die sie rief, würden sie einen gewissen Vorteil gut brauchen können, und Francis nahm an, dass eine Schusswaffe ihnen diesen Vorteil verschaffte. Peter hielt die Pistole eng an der Hüfte und verbarg sie, so gut es ging.
    Peter nickte und schaute noch einmal zu Big Black und seinem Bruder zurück, die versuchten, Lucy erste Hilfe zu leisten. Francis sah, wie der riesige Pfleger den Kopf hob und er und Fireman sich schweigend ansahen. »Hören Sie, Mr. Moses«, sagte Peter ruhig, »falls wir nicht in ein paar Minuten zurück sind …«
    Big Black hatte keine Antwort darauf. Er senkte einfach nur zur Bestätigung den Kopf. Little Black schien sich zu fügen. Er machte eine knappe Geste mit der Hand.
    »Gehen Sie schon mal vor«, sagte Little Black. »Sobald der Krankenwagen da ist, kommen wir

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