Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
zögerte und überlegte, auf wen er sich zuerst konzentrieren und ob er den angefangenen Kampf zu Ende führen sollte, um sich dann den zweiten Gegner vorzunehmen, was sich unter dem Hagel von Schlägen, die Francis austeilte, als aussichtslos erwies. Als Francis dann auch noch plötzlich den Arm des Engels in den Griff bekam und ihm auf den Rücken bog, war er matt gesetzt. Diese veränderte Lage schwächte die Wucht ab, mit der der Mörder Peter das Messer in die Seite drückte, und mit einer Kraftreserve, die aus irgendeiner verborgenen Quelle in ihm sprudelte, packte Fireman mit beiden Händen die Faust am Messerknauf und hinderte die Klinge am tödlichen Stich.
    Francis wusste nicht, wie weit seine eigenen Kräfte reichen würden. Er wusste, das der Engel in vielerlei Hinsicht stärker war als er und dass er, falls er auch nur die geringste Chance gegen ihn hatte, diese Chance hier und jetzt, gleich zu Anfang ergreifen musste, bevor der Engel ihm seine ganze Aufmerksamkeit widmen konnte. Er zog, so fest er konnte an dem Arm, und legte seine ganze Kraft in den brennenden Wunsch, Peter vom Gewicht des Engels zu befreien. Und zu seinem Staunen gelang es ihm, zumindest zum Teil. Der Engel bog sich zurück, geriet aus dem Gleichgewicht und kippte noch weiter nach hinten, so dass nunmehr Francis unter ihm eingeklemmt war. Francis versuchte, seine Beine um den Killer zu schlingen, und hielt mit tödlicher Verbissenheit durch, wie ein Mungo, der sich in eine Kobra verbeißt, während der Engel versuchte, Francis’ Griff abzuschütteln.
    Und in dieser Sekunde der Verwirrung, als die drei Gestalten ineinander verhakt am Boden lagen, merkte Peter, dass die Hand des Mörders nicht mehr am Knauf des Messers in seiner Seite war.
    Er legte die eigene Hand um den Griff und zog es unter einem glühenden Schmerz und einem qualvollen Schrei heraus. Während er fühlte, wie ihm bei jedem Herzschlag sein eigenes Leben aus ihm heraussickerte, packte Peter das Messer und stieß es nach vorn – in der verzweifelten Hoffnung, dass er nicht Francis traf, sondern den Mann, der Francis vermutlich bereits umgebracht hatte. Und als die Spitze der Klinge Fleisch berührte, warf sich Peter mit seinem ganzen Gewicht darauf, denn er wusste, dass dies seine letzte Möglichkeit war und er nur auf ein bisschen Glück hoffen konnte.
    Der Engel, fest im Griff von Francis, schrie plötzlich auf, schrill, wie aus einer anderen Welt, ein Laut, in dem, so schien es, all das, was so viele durch ihn erlitten hatten, gewaltsam hervorbrach und von den Wänden widerhallte, so dass für einen kurzen Moment Tod und Qual und Verzweiflung in der Dunkelheit aufblitzten. Seine eigene Waffe hatte sich gegen ihn gewendet. Peter trieb sie dem Engel unerbittlich in die Brust und ins Herz.
    Peter war entschlossen, für diesen entscheidenden Angriff das Letzte aus sich herauszuholen, und so drückte er weiter sein ganzes Gewicht auf die Messerklinge, bis er den Engel im Todeskampf röcheln hörte.
    Dann ließ er sich zurückfallen, während ihm ein Dutzend, Fragen auf der Zunge lagen, aber nicht mehr über die Lippen kamen. Er schloss die Augen, um auf sein eigenes Ende zu warten.
    Francis dagegen fühlte, wie der Engel unter seinem Griff erstarrte und starb. Zuerst rührte er sich nicht vom Fleck und hielt den Toten scheinbar eine Ewigkeit fest, in Wahrheit wohl nur wenige Sekunden. Die Stimmen, die er seit so vielen Jahren hörte, hatten offenbar im selben Moment die Flucht ergriffen und ihre Ängste, Ratschläge, Wünsche und Forderungen mitgenommen. Er registrierte nur, dass es immer noch vollkommen dunkel um ihn war und dass sein einziger Freund immer noch atmete, allerdings flach und mühsam, einem Ende entgegen, an das Francis nicht zu denken wagte.
    Und so löste er sich aus der Umarmung des Engels und flüsterte: »Warte« in Peters Ohr, auch wenn er nicht glaubte, dass Fireman ihn wirklich hörte. Er packte Peter an der Schulter und zog ihn der Länge nach hinter sich her, während er – ein bisschen wie ein kleines Kind, das sich von der Hand der Mutter losgerissen hat, langsam und vorsichtig begann, durch den pechschwarzen Keller zu kriechen – auf der Suche nach Licht und nach einem Ausgang und in der Hoffnung auf Hilfe für seinen Freund.

35
    Der Lärm in meiner Wohnung hatte einen Höhepunkt erreicht – nur noch Erinnern, nur noch blanker Zorn. Ich merkte, wie der Engel mich würgte, sich an mir festkrallte, wie sich Jahre schwelenden Schweigens

Weitere Kostenlose Bücher