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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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viel kann ich dir sagen: Wenn er der Sohn Satans wäre, der hergeschickt wurde, um hier in der Klinik Schaden anzurichten, hätte es einen Vermerk gegeben, weil nämlich sonst alles drin stand. Wohnort. Familie. Adresse. Alter. Alles eben. Und nix von wegen Antichrist.«
    »Satan ist der große Betrüger. Sein Sohn wär genauso schlau. Würd’s wahrscheinlich schaffen, sich zu verstellen. Selbst vor Gulp-a-pill.«
    »Tja, schon möglich. Aber da waren Polizisten bei mir, und die sind nun ganz bestimmt darin geschult, Satan zu erkennen. Die hätten Flugblätter und Handzettel und diese Bilder, so was, wie sie an den Wänden in der Post hängen haben, verstehst du? Ich möchte doch sehr bezweifeln, dass selbst Satan es geschafft hätte, zwei Polizisten reinzulegen.«
    Der Lange hörte diesen Ausführungen aufmerksam zu. Dann drehte er sich zu Francis um.
    »Tut mir leid. Offenbar hab ich mich geirrt. Mir ist jetzt klar, dass Sie nicht derjenige sind, auf den ich gefasst bin. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Gibt nun mal nichts anderes, als vor dem Bösen höllisch auf der Hut zu sein. Man muss ja so aufpassen, wissen Sie, tagein, tagaus, stündlich im Grunde genommen. Es ist ziemlich anstrengend, aber absolut notwendig …«
    Endlich gelang es Francis, vom Bett zu krabbeln und aufzustehen. »Ja, natürlich«, sagte er. »Geht schon klar.«
    Der Lange streckte die Hand aus und begrüßte Francis, indem er dessen Hand enthusiastisch schüttelte.
    »Hoch erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, C-Bird. Du bist großzügig. Und hast offensichtlich gute Manieren. Tut mir wirklich aufrichtig leid, wenn ich dir Angst gemacht hab.«
    Jetzt erschien der Lange Francis weit weniger furchteinflößend. Er wirkte einfach nur alt, ein bisschen zerfleddert wie eine alte Nummer einer Zeitschrift, die schon zu lange auf dem Tisch herumgelegen hat.
    Der Lange zuckte die Schultern. »Mich nennen sie alle Lanky«, sagte er. »Ich bin die meiste Zeit hier.«
    Francis nickte. »Ich heiße …«
    Der andere Mann unterbrach ihn. »C-Bird. Hier drinnen scheint niemand seinen richtigen Namen zu verwenden.«
    Lanky nickte heftig mit dem Kopf. »Fireman hat Recht, C-Bird. Nur Spitznamen und Abkürzungen und so was in der Art.«
    Dann machte er auf dem Absatz kehrt, marschierte quer durch den Raum zurück und warf sich auf sein Bett, um wieder zur Decke zu starren.
    »Er scheint mir kein schlechter Kerl zu sein, und ich glaube, in Wirklichkeit – ein ziemlich unpassender Begriff für diese nette Einrichtung hier – ist er ziemlich harmlos«, sagte Fireman. »Er hat kürzlich mit mir genau dasselbe gemacht, hat rumgebrüllt und mit dem Finger auf mich gezeigt und so getan, als wollte er mich verprügeln, um die Gesellschaft vor der Ankunft des Antichrist zu schützen oder auch vor dem Sohn Satans oder was weiß ich, vor wem. Vor irgendeinem seltsamen Dämon, der vielleicht aus Versehen hier landet. Das treibt er mit jedem, der hier reinkommt und den er nicht kennt. Und wenn man mal richtig drüber nachdenkt, ist es nicht mal so sehr verrückt. Scheint doch eine gute Portion Schlechtigkeit auf der Welt zu geben, und ich nehme mal an, von nix kommt nix. Kann also nicht schaden, ein wachsames Auge zu haben, wie er sagt, selbst hier.«
    »Jedenfalls danke«, sagte Francis. Er beruhigte sich allmählich, ein bisschen wie ein Kind, das dachte, es hätte sich verirrt, und dann auf einmal einen Orientierungspunkt wiedererkennt, mit dessen Hilfe es sich zurechtfindet. »Aber ich weiß immer noch nicht, wie du heißt …«
    »Ich hab keinen Namen mehr«, sagte der Mann. Er sagte es mit einem zarten Anflug von Bedauern in seinem Tonfall, der rasch einem trockenen, süßsäuerlichen Grinsen wich, in das sich etwas Wehmut mischte.
    »Wie kann man keinen Namen mehr haben?«, fragte Francis.
    »Ich musste ihn aufgeben. Dem hab ich es nämlich zu verdanken, dass ich hier gelandet bin.«
    Das ergab für Francis wenig Sinn. Der Mann schüttelte amüsiert den Kopf. »Tut mir leid. Die Leute haben angefangen, mich Fireman zu nennen, das war ich nämlich, bevor ich hier in die Klinik kam. Ich hab Feuer gelöscht.«
    »Aber …«
    »Na ja, früher haben mich meine Freunde Peter genannt. Also Peter the Fireman, das muss reichen, Francis C-Bird.«
    »In Ordnung«, antwortete Francis.
    »Ich denke, du merkst noch früh genug, dass diese Sitte hier mit den neuen Namen es ein bisschen leichter macht. Jetzt hast du Lanky kennen gelernt, ein Spitzname, dem wohl kaum

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