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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Ordnung erkennen. Standen zwei nebeneinander, so war ein drittes deutlich abgewinkelt. Es wirkte wie lieblos hingeklatscht.
    Die Vorderfront des Klinikgeländes war von einer hohen, roten Backsteinmauer mit einem reich verzierten, schmiedeeisernen Eingangstor gesichert. Er konnte daran kein Namensschild erkennen, doch er bezweifelte auch, dass es eines gab. Wer sich der Klinik näherte, vermutete er, der wusste bereits, um was für eine Art von Einrichtung es sich handelte, so dass es keines Schildes bedurfte.
    Er starrte auf die Mauer und versuchte, ihre Maße zu schätzen. Er hielt sie für mindestens drei bis dreieinhalb Meter hoch. An den Seiten wurde die Mauer von einem Maschendrahtzaun fortgesetzt, der an vielen Stellen verrostet und oben mit Stacheldraht versehen war. Neben dem Garten gab es noch einen schwarz geteerten Sportplatz mit einem Basketballkorb am einen Ende und einem Volleyballnetz in der Mitte, die jedoch beide vom achtlosen Umgang oder Nichtgebrauch schwarz vor Dreck, verbogen und schadhaft waren. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand diese Geräte benutzte.
    »Was schaust du, C-Bird?«, fragte Little Black.
    »Die Klinik«, erwiderte Francis. »Hab gar nicht gewusst, wie groß die ist.«
    »Ganz schön viele,
zu
viele hier«, sagte Little Black ruhig. »Jedes Heim zum Platzen voll. Die Betten dicht an dicht. Leute, die nix zu tun haben und nur in den Fluren rumhängen. Nicht genug Spiele. Nicht genug Therapie. Die Leute hier drinnen rücken einander zu dicht auf die Pelle, tut ihnen nicht gut.« Francis blickte zu dem riesigen Tor hinüber, durch das er gekommen war. Es stand sperrangelweit offen.
    »Nachts ist es abgeschlossen«, sagte Little Black und nahm damit seine Frage vorweg.
    »Mr. Evans hat gedacht, ich wollte versuchen, wegzulaufen«, sagte Francis.
    Little Black schüttelte den Kopf. »Die denken immer, die Leute hier hätten nix anderes im Sinn, aber sie tun es nicht«, sagte er. »Selbst Mr. Evil, der ist schon ein paar Jahre hier, sollte es allmählich wissen.«
    »Wieso nicht?«, fragte Francis. »Wieso versuchen die Leute nicht, abzuhauen?«
    Little Black seufzte. »Das können Sie sich selber beantworten, C-Bird. Hat nix mit Zäunen und nix mit abgeschlossenen Türen zu tun, auch wenn wir davon ’ne Menge haben. Gibt ’ne Menge Möglichkeiten, einen wegzusperren. Denken Sie mal drüber nach. Der sicherste Weg hat nix mit Pillen oder Schließriegeln zu tun, C-Bird. Der Trick ist, dass kaum einer hier wüsste, wohin er gehen soll. Wenn du nicht weißt, wo du hinsollst, bleibst du da. So einfach ist das.«
    Damit drehte er sich um und versuchte, Cleo beim Aussäen zu helfen. Sie hatte die Furchen weder tief noch breit genug gegraben. Die Frustration stand ihr ins Gesicht geschrieben, bis Little Black sie daran erinnerte, dass Diener Blütenblätter auf ihren Weg gestreut hätten, als ihre Namensvetterin in Rom Einzug hielt. Das machte sie zunächst nachdenklich, dann inspirierte es sie, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, bis sich Cleo schließlich mit wahrer Hingabe durch den steinigen Boden grub. Cleo war eine große, schwere Frau in grell bunten Kitteln, die sich um ihre Leibesfülle bauschten. Sie keuchte oft, rauchte zu viel und trug ihr dunkles Haar in zotteligen Wellen bis zur Schulter. Wenn sie lief, schwankte sie vor und zurück wie ein steuerloses Schiff, das bei starkem Wind und Wellengang vom Kurs abgetrieben wurde. Kaum bekam sie einen Tischtennisschläger zu fassen, war sie, das hatte Francis oft genug gesehen, wie umgewandelt und wurde, scheinbar von Zauberhand, katzenhaft graziös und schnell, als hätte sie ihren schwerfälligen Körper für eine Weile abgelegt.
    Über die Schulter warf er noch einen Blick zum Eingangstor und dann wieder auf seine Mitpatienten und begriff allmählich, was Little Black gerade gesagt hatte. Einer der älteren Männer hatte Probleme mit seinem kleinen Spaten; er zitterte heftig in seiner gelähmten Hand. Ein anderer war inzwischen nicht mehr bei der Sache und starrte zu einer krächzenden Krähe auf einem nahe gelegenen Baum hinauf.
    Tief in seinem Innern hörte er eine seiner Stimmen missmutig Little Blacks Worte wiederholen, als wollte sie das Gesagte unterstreichen:
Niemand haut ab, weil keiner weiß, wo er hinsoll. Und du genauso wenig, Francis
.
    Dann ein Chor der Zustimmung.
    Einen Moment lang wirbelte Francis herum und kreiste wild mit dem Kopf. Denn just in dieser Sekunde, in der Sonne und der milden

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