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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht weiß, ob ein Baby schnarcht, ich weiß überhaupt nicht, ob Babys schnarchen, weil mich nie eine an ihres rangelassen hat, diese gemeinen Mistkerle – aber das ist eine andere Geschichte.«
    »Du konntest also auch nicht schlafen.«
    »Alle anderen schon.«
    »Und?«
    »Ich hab gesehen, wie die Tür aufging und eine Gestalt hereinkam. Ich hatte nicht gehört, wie sich der Schlüssel im Schloss gedreht hat, mein Bett steht auf der anderen Seite, direkt an den Fenstern, und letzte Nacht schien mir der Mond direkt auf den Kopf. Wusstest du, dass die Leute früher geglaubt haben, man würde als Verrückter aufstehen, wenn einem nachts der Mond auf die Stirn geschienen hatte? Daher kommt das Wort
lunatic
. Vielleicht stimmt es ja, C-Bird. Ich schlaf die ganze Zeit unter dem Mond, und ich werde immer verrückter, und keiner will mich mehr haben. Ich hab nirgends jemanden, der mit mir redet, deshalb haben sie mich hier reingesteckt. Ganz allein. Ohne dass mich irgendwer besuchen kommt. Das ist doch nicht fair, oder. Ich meine, irgendwer, egal, woher, sollte mich besuchen kommen. Ich meine, was macht das denn schon für Mühe? Arschlöcher. Diese verdammten Arschlöcher.«
    »Aber letzte Nacht ist jemand in den Schlafraum gekommen?«
    »Seltsam, ja.« Cleo schüttelte sich ein wenig und zitterte. »Es kommt sonst nie jemand bei Nacht rein. Aber letzte Nacht schon. Und er ist ein paar Sekunden geblieben, und dann ging die Tür wieder zu, und diesmal hab ich ganz genau hingehorcht und gehört, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte.«
    »Glaubst du, dass jemand, der in der Nähe der Tür schlief, denjenigen gesehen hat?«, wollte Francis wissen.
    Cleo verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich hab mich schon umgehört. Diskret, weißt du. Nein, die meisten haben geschlafen. Kommt von den Medikamenten, weißt du. Hauen den Stärksten um.«
    Dann wurde sie auf einmal rot, und Francis sah, wie ihr Tränen in die Augen schossen. »Ich
mochte
Short Blond«, sagte sie. »Sie war immer so freundlich zu mir. Manchmal hat sie ein paar Verse mit mir zusammen rezitiert, zum Beispiel Mark Antons Rolle übernommen, oder auch den Chor. Und ich hab auch Lanky gemocht. Er war ein Gentleman. Hat die Tür aufgehalten und die Damen zuerst zum Abendessen reingelassen. Hat für uns alle das Tischgebet gesprochen. Nannte mich immer Miss Cleo, so höflich und nett. Und ihm lag wirklich immer unser aller Wohl am Herzen. Das Böse draußen halten. Das machte doch Sinn.«
    Sie tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab und schnäuzte sich. »Armer Lanky. Er hatte die ganze Zeit Recht, und jetzt schau dir das an. Wir müssen ihm irgendwie helfen, denn immerhin wollte er nur uns allen helfen. Die Arschlöcher. Die hundsgemeinen gemeinen Arschlöcher.«
    Dann packte sie Francis am Arm und ließ sich von ihm zur Gruppensitzung geleiten.
    Mr. Evil stellte bereits im Behandlungszimmer Metall-Klappstühle in einem Kreis auf. Er machte Francis Zeichen, ein paar vom Stapel unter dem Fenster zu holen. Francis ließ also Cleos Arm los und durchquerte den Raum, während Cleo sich behutsam auf einem der Sitze niederließ. Er packte sich zwei Stühle und war gerade im Begriff, sich umzudrehen und sie in die Mitte zu tragen, als etwas, das draußen vor sich ging, seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Von seinem Standort aus konnte er den Haupteingang überblicken, das große Eisentor, das offen stand, und die Zufahrt, die bis zum Verwaltungsgebäude hinüberführte. Ein großer schwarzer Wagen fuhr gerade vor. Das war für sich genommen nicht allzu außergewöhnlich; den ganzen Tag über trafen Autos und Krankenwagen ein. Doch an diesem hier war irgendetwas Besonderes, so dass es ihn neugierig machte, auch wenn er nicht recht sagen konnte, was an diesem hier anders war. Er signalisierte, wie Francis schien, äußerste Dringlichkeit.
    Francis beobachtete, wie der Wagen zitternd zum Halten kam. Kaum stand er, stieg eine große, dunkelhäutige Frau in einem langen, hellbraunen Regenmantel mit schwarzer Aktentasche aus, die zu ihren schulterlangen Haaren passte. Die Frau blieb stehen, wie um sich einen Überblick über das gesamte Anstaltsgelände zu verschaffen, dann wandte sie sich der Eingangstreppe zu und stieg mit einer Entschlossenheit die Stufen hinauf, die ihm wie ein zielgenauer Pfeil erschien.

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    N ur langsam und widerwillig ließen sie sich alle wieder in geregelte Bahnen zurückführen. Nicht dass sie sich plötzlich wie Rüpel oder gar

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