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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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um. »Gehen wir einfach diese Nacht noch einmal durch«, sagte sie.
    »C-Bird«, sagte Peter und trat Mr. Evil in den Weg, »nach Ihnen.«
    Der Tatort in der Abstellkammer war blank geschrubbt, und als Lucy die Tür aufmachte, schlug ihnen der Gestank von frisch aufgetragenen Desinfektionsmitteln entgegen, und Francis schien es, als habe sich das Böse, das ihm im Gedächtnis haftete, gänzlich daraus verflüchtigt. Es war, als sei ein Ort der teuflischen Qual zur Normalität zurückgekehrt und nunmehr vollkommen gut. Auf dem Regal waren Reinigungsmittel, Wischmopps, Eimer, Ersatzglühbirnen, Besen, Wäschestapel ordentlich eingeräumt. Der Boden glänzte unter dem Licht der Deckenlampe, doch nirgends mehr von Short Blonds Blut. Francis war ein wenig verblüfft, wie sauber und normal alles wirkte, und einen Moment lang fand er die Idee, den Raum wieder in eine gewöhnliche Besenkammer zu verwandeln, nicht minder obszön als die Tat, die sich darin abgespielt hatte.
    Lucy ging in die Knie und strich mit dem Finger über die Stelle, wo das Opfer reglos liegen geblieben war, als könnte sie, so kam es Francis vor, indem sie den kühlen Linoleumboden fühlte, irgendwie mit dem Leben in Verbindung treten, das dort ausgesickert war.
    »Hier ist sie also gestorben?«, fragte Lucy und sah Peter an. Er bückte sich neben ihr nieder und antwortete leise in vertraulichem Ton.
    »Ja. Aber ich denke, da war sie schon bewusstlos.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil die Sachen, die ihre Leiche umgaben, nicht erkennen ließen, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte. Ich glaube, die Flaschen mit den Reinigungsmitteln wurden über sie gekippt, um den Tatort zu verstellen und einen falschen Eindruck hinsichtlich dessen zu erwecken, was tatsächlich stattgefunden hatte.«
    »Wieso sollte er Reinigungsmittel über ihr ausschütten?«
    »Um Spuren zu vernichten, die er eventuell hinterlassen hatte.«
    Lucy nickte. »Das leuchtet ein.«
    Peter betrachtete Lucy von der Seite und rieb sich, als er sah, dass sie schwieg, das Kinn, stand auf und schüttelte leicht den Kopf. »Die anderen Fälle, denen Sie nachgehen, wie sah da der Tatort aus?«
    Lucy lächelte, auch wenn es ein freudloses Lächeln war. »Gute Frage«, sagte sie. »Starker Regen«, fuhr sie ruhig fort. »Gewitter. Jeder dieser Morde ereignete sich im Freien und bei Regen. Soweit sich das mit einiger Sicherheit sagen lässt, geschahen die Morde an einem Ort, und die Leiche wurde anschließend an eine andere, versteckte, aber ungeschützte Stelle geschafft. Vermutlich vorher ausgesucht. Sehr schwierig für die Spurensuche. Das Wetter hat praktisch sämtliche physischen Spuren ausgelöscht. Jedenfalls soweit ich gehört habe.«
    Peter sah sich noch einmal in der Kammer um und trat zurück.
    »Hier hat er seinen eigenen Regen produziert.«
    Lucy kam ebenfalls heraus. Sie blickte zur Pflegestation hinüber. »Falls demnach ein Kampf stattgefunden hat …«
    »Dann dort drüben.«
    Lucy schaute mehrmals in beide Richtungen. »Aber was ist mit dem Lärm?«, fragte sie.
    Francis hatte bis dahin nichts gesagt. Doch bei dieser Frage wandte sich Peter an ihn. »Sag du’s ihr, C-Bird.«
    Francis wurde, so plötzlich angesprochen, rot, und sein erster Gedanke war, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was ihm auch schon auf der Zunge lag, als er sich besann. Stattdessen dachte er noch einmal über die Frage nach, hatte die Antwort vor Augen und sagte: »Zweierlei, Miss Jones. Erstens sind sämtliche Wände stark isoliert, und sämtliche Türen sind aus Stahl, weshalb sie nicht sonderlich geräuschdurchlässig sind. Hier in der Klinik gibt es eine Menge Geräusche, doch wir hören sie nur gedämpft. Aber was noch wichtiger ist: Was sollte es nützen, um Hilfe zu schreien?«
    Tief in seinem Innern hörte er das Rumoren seiner eigenen Stimmen.
Sag’s ihr!
, riefen sie.
Sag ihr, wie das ist!
    Er fuhr fort. »Die ganze Zeit schreien irgendwelche Leute. Sie haben Albträume. Sie haben Angst. Sie sehen und hören Dinge oder fühlen sie vielleicht auch nur. Ich nehme mal an, jeder hier hat sich an den Lärm gewöhnt, der von der Anspannung kommt. Wenn also jemand ›Hilfe!‹ brüllen würde« – er hielt inne, bevor er den Gedanken zu Ende führte –, »dann wäre das von all den anderen Hilferufen kaum zu unterscheiden. Und wenn jemand einfach nur ›Mord!‹ rufen oder schlicht schreien würde, dann wäre daran nichts Ungewöhnliches. Und es kommt grundsätzlich nie jemand, Miss

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