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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ein kurzes Gelächter aus. »Nur weil er groß ist und ich klein bin, muss das nicht heißen, dass wir nicht im Großen und Ganzen derselben Meinung sind. Nein, Ma’am. Wie du denkst, ist nich’ dasselbe, wie du aussiehst.« Er wies auf die Gruppen von Patienten, die sich durch den Flur bewegten, und Lucy Jones verstand, was er sagte. Dann holte der Aufseher kurz Luft und betrachtete die Staatsanwältin mit einem eindringlichen Blick. Als er antwortete, senkte er die Stimme, so dass er nur von der kleinen Gruppe zu hören war. »Vielleicht sind wir beide der Meinung, dass hier etwas passiert ist, das nicht hätte passieren dürfen, und dass wir auch ein bisschen mit schuld daran sind, dass es dazu gekommen ist, und das schmeckt uns ganz und gar nicht, Miss Jones. Wenn also ein paar Leute hier Federn lassen, dann finden wir das gar nicht mal so übel.«
    »Danke«, sagte Lucy.
    »Bedanken Sie sich lieber nicht zu früh«, entgegnete Little Black. »Sie dürfen nicht vergessen, dass am Ende, wenn alles vorbei ist, ich und mein Bruder, die Schwestern und die Ärzte und die meisten Patienten, wenn auch nicht alle, also, dass wir dann immer noch hier sein werden und Sie nicht. Also danken Sie besser jetzt noch keinem. Und außerdem hängt ’ne Menge davon ab, wer genau hier Federn lassen muss, falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Lucy nickte. »Ich werd’s im Hinterkopf behalten«, sagte sie. Sie sah auf und sprach im Flüsterton weiter: »Und ich vermute mal stark, dass das da vorn Mr. Evans ist?«
    Francis schnellte herum und sah Mr. Evil zügig in ihre Richtung schreiten. Seine Körpersprache drückte ein herzliches Willkommmen aus – ein Lächeln, die abgewinkelten Arme. Doch Francis traute dem Kerl keine Sekunde lang.
    »Miss Jones«, sagte Evans eifrig, »darf ich mich vorstellen.« Es folgte ein höflicher Händedruck.
    »Hat Dr. Gulptilil Sie über den Grund meiner Anwesenheit unterrichtet?«, wollte Lucy wissen.
    »Er hat mir erklärt, Sie hegten den Verdacht, dass vielleicht der Falsche wegen des Mordes an der jungen Schwester verhaftet worden ist, ein Verdacht, den ich irgendwo lächerlich finde. Nichtsdestotrotz sind Sie nun mal hier. Er hat mir gesagt, es gehe um so etwas wie weiterführende Ermittlungen.«
    Lucy betrachtete den Psychologen eingehend und war sich dessen wohl bewusst, dass seine Antwort durchaus nicht der ganzen Wahrheit gerecht wurde, aber doch immerhin in groben Zügen. »Dann kann ich also auf Ihre Hilfe zählen?«, fragte sie.
    »Aber gewiss.«
    »Danke«, sagte sie.
    »Ich habe mir gedacht, dass Sie vielleicht mit einer Durchsicht der Patientenakten im Amherst beginnen wollen? Wir könnten uns gleich dranmachen. Wir haben noch Zeit bis zum Abendessen und den Aktivitäten danach.«
    »Zuerst würde ich gerne einen Rundgang machen«, sagte sie.
    »Das kann ich sofort einrichten«, erwiderte er.
    »Ich hatte gehofft, dass mich die beiden Patienten hier herumführen könnten.«
    Mr. Evil schüttelte den Kopf. »Das halte ich für keine besonders gute Idee.«
    Sie antwortete nicht.
    »Na ja«, brach er das kurze Schweigen, »Peter und Francis sind im Moment leider auf dieses Stockwerk beschränkt. Und der Zugang nach draußen ist derzeit für alle Patienten, unabhängig von ihrem Status, begrenzt, bis sich die Aufregung wegen des Mordes und der Verhaftung von Lanky gelegt hat. Und was die Dinge noch komplizierter macht, also, ich sag’s wirklich nur ungern, aber Ihre Awesenheit hier in dieser Station zieht die kleine Krise, die wir momentan haben, noch weiter in die Länge. Wir haben daher auf absehbare Zeit eine erhöhte Sicherheitsstufe. Durchaus vergleichbar einer Ausgangssperre im Gefängnis, Miss Jones. Unsere Version davon. Der Bewegungsspielraum im Klinikbereich ist eingeschränkt, bis wir die betroffenen Patienten wieder völlig stabilisiert haben.«
    Lucy wollte etwas erwidern, ließ es aber sein. Schließlich fragte sie: »Nun ja, bestimmt können sie mir aber den Tatort zeigen, und dieses Geschoss, und mir erzählen, was sie gesehen und gemacht haben, genauso, wie sie es der Polizei beschrieben haben. Das, hoffe ich, strapaziert Ihre Vorschriften nicht allzu sehr? Und dann können entweder Sie oder einer der Moses-Brüder mich vielleicht durch das übrige Gebäude begleiten sowie zu den sonstigen Stationen?«
    »Selbstverständlich«, sagte Mr. Evil. »Zuerst eine kurze Führung und dann eine lange. Ich werde das arrangieren.«
    Lucy drehte sich wieder zu Peter und Francis

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