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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Evans.«
    »Und das wäre?«, fragte er.
    »Im Moment sind sie die Einzigen, die ich nicht verdächtige.«
     
    Francis fand an diesem Abend keinen Schlaf. Das Schnarchen und Wimmern, die übliche nächtliche Hintergrundmusik, machte ihn nervös. Oder zumindest nahm er das an, bis er sich auf den Rücken legte, mit offenen Augen an die Decke starrte und begriff, dass ihn nicht die vertraute Geräuschkulisse störte, sondern all das, was während des Tages geschehen war. Seine eigenen Stimmen waren ruhig, doch voller Fragen, und er hätte gern gewusst, ob er in der Lage war, das zu tun, was von ihm erwartet wurde. Er hatte sich nie für jemanden gehalten, der einen Blick fürs Detail besaß, dem Worte und Taten eine versteckte Bedeutung enthüllten, so wie bei Peter und zweifellos auch Lucy Jones. In seinen Augen hatten die beiden ihre Vorstellungen und Gedanken im Griff, worauf er selbst nur hoffen konnte. Seine eigenen Assoziationen waren zufällig und wechselten wie ein Karnickel ständig die Richtung, schlugen Haken, wurden von Kräften verschoben, die er nicht recht verstand.
    Francis seufzte und drehte sich halb im Bett herum. Erst da merkte er, das er nicht der Einzige war, der nicht schlafen konnte. Nicht weit von ihm entfernt saß Peter the Fireman, die Arme auf den angewinkelten Knien verschränkt, an die Wand gelehnt und blickte quer durch den Raum. Francis sah, dass Peter unverwandt auf die Fensterreihe ihm gegenüber starrte – durch die Kreuzschraffur der Gitter und das Milchglas hindurch in das matte Mondlicht und die tintenschwarze Nacht. Francis wollte etwas sagen, doch dann beherrschte er sich, denn er ahnte, dass der knisternde Strom, der Peter in dieser Nacht den Schlaf raubte, viel zu mächtig war, um ihn zu unterbrechen.

11
    Ich spürte förmlich, wie der Engel jedes Wort von mir las, doch die Stille wurde nicht gestört. Wenn man verrückt ist, dann wirkt sich Stille zuweilen wie ein Nebel aus, der normale, alltägliche Dinge – einen gewohnten Anblick, ein vertrautes Geräusch – verschleiert, so dass alles ein wenig verformt und mysteriös erscheint. So wie eine viel befahrene Straße urplötzlich nach rechts abzubiegen scheint, weil der Nebel bei Nacht die Scheinwerfer so seltsam bricht, während der Verstand einem zubrüllt, dass es geradeaus weitergeht. Der Wahnsinn ist diesem Moment des Zweifels vergleichbar, in dem ich nicht weiß, ob ich meinen Augen oder meiner Erinnerung trauen soll, weil beide zu denselben heimtückischen Irrtümern fähig sind. Ich fühlte den Schweiß auf meiner Stirn, und ich schüttelte mich wie ein nasser Hund von oben bis unten, um mich von dem klammen, verzweifelten Gefühl zu befreien, das der Engel in meine Wohnung hereingetragen hatte.
    »Hau ab!«, sagte ich und spürte, wie mich urplötzlich der Mut gänzlich verließ. »Hau ab! Ich hab einmal mit dir gekämpft!«, brüllte ich. »Einmal sollte genügen!«
    Mir zitterten die Hände, und ich wollte nach Peter the Fireman rufen. Aber ich wusste, dass er zu weit weg und ich auf mich allein gestellt war, und so ballte ich die Fäuste, um das Zittern zu verbergen.
    Als ich gerade tief Luft holte, hörte ich, wie es an meiner Wohnungstür klopfte. Das Geräusch, das wie ein Trommelfeuer klang, platzte in das eingebildete Geschehen hinein, und als ich aufstand, drehte sich meine Umgebung sekundenlang vor meinen Augen, bis ich das Gleichgewicht wiedererlangte. Mit wenigen Schritten durchquerte ich das Zimmer und ging an die Tür.
    Eine weitere Salve.
    Ich hörte eine Stimme: »Mr. Petrel! Mr. Petrel? Alles in Ordnung da drinnen?«
    Ich lehnte die Stirn an die Holztür. Sie fühlte sich kühl an, als fieberte ich und sie bestünde aus Eis. Hastig ging ich den Katalog der Stimmen durch, die ich kannte. Eine meiner Schwestern hätte ich auf der Stelle erkannt. Meine Eltern konnte ich ausschließen, da sie mich noch nie zu Hause besucht hatten.
    »Mr. Petrel! Bitte antworten Sie! Alles in Ordnung?«
    Ich lächelte. Ich hörte ein zartes H vor dem O.
    Mein Nachbar auf der anderen Seite des Flurs ist Ramon Santiago, der bei der städtischen Müllabfuhr arbeitet. Er hat eine Frau, Rosalita, und ein hübsches kleines Töchterchen namens Esperanza, offenbar ein überaus lernbegieriges Geschöpf, das von ihrem Thron aus, dem Arm ihrer Mutter, mit dem konzentrierten Blick eines College-Professors auf ihre Umgebung herabsieht.
    »Mr. Petrel?«
    »Mir fehlt nichts, Mr. Santiago, danke.«
    »Ganz bestimmt?« Wir redeten

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