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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Mitarbeiter ihre Zeit am effizientesten nutzen, von übertriebenen politischen Rücksichten bestimmt ist. Demnach steht auf unserer Geschäftsordnung die Aufgabe ganz obenan, die Parallelen zwischen den Details dieser früheren Morde und dem hier in der Klinik aufzuzeigen. Ich finde daher, dass ich Einsicht in diese Akten bekommen sollte.«
    Lucy holte tief Luft. »Interessanterweise hat mich Mr. Evans heute Morgen um dasselbe gebeten, und zwar mehr oder weniger mit derselben Begründung.«
    »Große Geister denken gleich«, sagte Peter mit unverhülltem Sarkasmus.
    »Ich habe sein Ansinnen zurückgewiesen.«
    Peter zögerte, bevor er sagte: »Und zwar, weil Sie sich bis jetzt nicht sicher sind, ob Sie ihm trauen können.«
    Auch das war amüsant, und er schien bei den letzten Worten zu lachen.
    Lucy lächelte. »Mehr oder weniger genau das, was ich gerade der Dame gesagt habe, die Ihr Cleo nennt.«
    »Aber C-Bird und ich, na ja, wir gehören nicht in dieselbe Schublade, oder?«
    »Nein, gehören Sie nicht. Zwei Unschuldslämmer. Aber wenn ich Ihnen diese …«
    »Werden Sie Mr. Evans ärgern. Sein Pech.«
    Wieder ließ sich Lucy mit ihrer Antwort Zeit, und diesmal lag Neugier in ihrer Stimme. »Peter«, sagte sie langsam, »ist es Ihnen eigentlich ganz und gar egal, wem Sie auf die Zehen treten? Besonders, wenn es dabei um jemanden geht, dessen Auffassung über Ihre gegenwätige Geistesverfassung für Ihre eigene Zukunft so entscheidend sein kann …«
    Peter schien jeden Moment loslachen zu wollen, und er strich sich mit der Hand durchs Haar, zuckte die Schultern und schüttelte mit demselben schiefen Grinsen den Kopf. »Kurz und bündig lautet die Antwot auf Ihre Frage: Ja. Es ist mir ziemlich egal, wem ich auf die Zehen trete. Evans hasst mich, und was immer ich sage oder tue, er wird mich nur noch mehr dafür hassen, und das hat nicht allzu viel damit zu tun, wer ich bin, sondern damit, was ich getan habe. Also hege ich keine allzu großen Hoffnungen, dass er seine Meinung ändert. Und er ist in dem Wir-hassen-Peter-Club hier drinnen nicht allein, er ist nur der offensichtlichste und, man könnte sagen, der widerwärtigste Vertreter. Ich kann tun, was ich will, daran wird sich nichts ändern. Wieso soll ich mir also um ihn Gedanken machen?«
    Lucy musste auch ein wenig lächeln. Dadurch verzog sich die Narbe in ihrem Gesicht, und Francis kam plötzlich der Gedanke, dass das Seltsamste an einem derart gravierenden Makel war, dass er ihre übrige Schönheit nur noch unterstrich.
    »Ich protestiere zu viel?«, fragte Peter und grinste immer noch.
    »Was wird noch gleich den Irren nachgesagt?«
    »Eine Menge. Aber vor allem, dass wir uns gerne selber reden hören. Das ist das abgedroschenste Klischee, aber leider eines, das auf jahrhundertelanger Erfahrung basiert.«
    »In Ordnung«, sagte Lucy. »Francis, wie wär’s, wenn Sie jetzt zu Miss Cleo gehen würden, während Peter mich in mein kleines Büro begleitet?«
    Francis schwieg, und so fragte Lucy nach: »Falls Sie nichts dagegen haben.«
    Er nickte, um sein Einverständnis anzuzeigen. Es war ein seltsames Gefühl, dachte er. Er wollte ihr tatsächlich helfen, denn jedes Mal, wenn er sie ansah, fand er sie noch schöner als davor. Aber er war ein bisschen eifersüchtig darauf, dass Peter sie begleiten durfte, während er sich auf Cleo stürzen musste. Seine Stimmen, nach wie vor gedämpft, rumorten in ihm. Doch er ignorierte den Lärm und eilte nach kurzer Überlegung den Flur entlang Richtung Tagesraum, wo er Cleo hinter dem Pingpongtisch in ihrer gewohnten Ecke vermutete, um das eine oder andere Opfer für ein Spiel zu finden.
     
    Francis hatte sich nicht getäuscht. Cleo stand an ihrem angestammten Platz und hatte bereits Beute gemacht – drei andere Patienten am anderen Ende des Tischs, die sie mit Schlägern bewaffnet und jeweils an ihren Posten platziert hatte, wo sie reagieren sollten, falls ihr Ball dort auftraf. Außerdem demonstrierte sie jedem von ihnen, wie sie in die Knie gehen, den Schläger halten und vor einer Aktion ihr Gewicht auf die Fußballen verlagern mussten. Es war, wie Francis sah, eine kleine Spezialklinik, wo man das Spiel zu spielen lernte, und, wie er stark vermutete, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es handelte sich durchweg um ältere Männer mit strähnigem grauem Haar und schlaffer Haut mit braunen Altersflecken. Er sah, wie jeder von ihnen unglücklich versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie ihnen erklärte,

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