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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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und wie sie mit ihren Aufgaben haderten. Diese bescheidenen Herausforderungen türmten sich kurz vor Spielbeginn wie unüberwindliche Hindernisse vor ihnen auf, und er sah auch, dass sie, je näher Cleos Eröffnungssalve rückte, umso weniger der Herausforderung gewachsen waren, wie gut sie ihre Schüler auch unterrichtet haben mochte.
    Cleo wiederholte dreimal, »Kann’s losgehen?«, und sah jedem von ihnen in die Augen, während sie sich auf den Aufschlag vorbereitete.
    Jeder ihrer Gegner nickte widerstrebend.
    Mit einer flinken Bewegung aus dem Handgelenk heraus warf Cleo den Ball senkrecht in die Luft. Dann schnellte ihr Schläger mit schlangenhafter Geschmeidigkeit vor und beförderte ihn quer über den Tisch, so dass er laut klickte, übers Netz hüpfte, dahinter auf die Platte traf und genau zwischen zwei Gegnern hindurchsauste, ohne dass einer von ihnen sich auch nur einen Hauch von der Stelle rührte.
    Francis rechnete damit, dass Cleo jetzt explodierte. Sie lief rot an, und ihre Oberlippe zog sich wütend zurück. Doch genauso schnell, wie der Zorn aufwallte, war er wieder verflogen. Einer der Gegner hob den kleinen weißen Ball auf und warf ihn Cleo über den Tisch hinweg zu. Sie legte ihn auf der grünen Platte unter ihrem eigenen Schläger ab.
    »Danke für das Spiel.« Sie seufzte, und die Wut, die ihr ins Gesicht geschrieben stand, wechselte zu Resignation. »Wir arbeiten später noch ein bisschen an unserer Beinarbeit.«
    Die drei Gegner waren allesamt sichtlich erleichtert und begaben sich in unterschiedliche Ecken im Aufenthaltsraum.
    Der Tagesraum war wie immer voll und wimmelte von einer bizarren Mischung aus Aktivitäten. Es war ein offener, heller Raum, in dem eine Reihe vergitterter Fenster die Sonne und eine gelegentliche milde Brise hereinließ. Die glänzend weiß gestrichenen Wände schienen das Licht und die Energie im Zimmer einzufangen und zu reflektieren. Patienten in unterschiedlichster Kleidung, von den allgegenwärtigen weiten Morgenmänteln und Pantoffeln bis zu Jeans und Mänteln, vertrieben sich die Zeit. Quer im Raum waren billige rote und grüne Ledersofas und abgewetzte Sessel verteilt, auf denen sich Männer und Frauen trotz des Geräuschpegels still in eine Lektüre vertieften. Zumindest erweckten sie den Anschein, als ob sie lasen, wenn auch selten Seiten umgeblättert wurden. Auf robusten hölzernen Beistelltischen lagen alte Zeitschriften und zerfetzte Taschenbuch-Romane aus. In zwei Ecken standen Fernsehapparate, um die sich eine Unmenge Stammgäste scharte, die ihre Seifenopern in sich aufzusaugen schienen. Die Apparate machten sich gegenseitig Konkurrenz, da jeweils andere Kanäle eingeschaltet waren, als hätten die Figuren der einen Serie dem anderen Sender den Kampf angesagt. Dies war ein Zugeständnis an die beinahe täglichen Streitigkeiten zwischen den beiden Anhängergruppen.
    Francis schaute sich weiter um und sah ein paar Patienten bei Brettspielen wie Monopoly oder Risiko oder bei Schach und Dame, während andere Karten spielten. Herz war der Favorit im Tagesraum. Poker wurde von Gulp-a-pill verboten, als allzu oft Zigaretten als Chips zum Einsatz kamen und einige Patienten sie zu horten begannen. Dabei handelte es sich um die weniger verrückten oder, wie Francis es sah, diejenigen, die bei ihrer Abschiebung in die Heilanstalt nicht sämtliche Beziehungen zur Außenwelt an der Garderobe abgegeben hatten. Er zählte sich selbst zu dieser Gruppe, eine Einschätzung, die alle Stimmen, die er hörte, uneingeschränkt teilten. Und dann waren da natürlich noch die Katos, die einfach nur von A nach B und zurück wanderten und mit allen und keinem redeten. Einige tanzten. Einige schlurften. Einige liefen zügig hin und her. Doch jeder hatte seine eigene Gangart, während er von solch unzugänglichen Wahnvorstellungen getrieben wurde, dass Francis bestenfalls raten konnte, welcher Natur sie waren. Manchmal fühlte er sich auch auf dem Schwebebalken seines eigenen Lebens diesen Leuten näher als den Gesunden. In seinen Augen hatte sie das Schicksal zur Rolle des Verlierers verdammt.
    Über ihnen allen hing ein dünner Schleier Zigarettenrauch. Francis hasste diesen Raum und mied ihn, wenn er konnte.
    Es war ein Ort, an dem jeder ungehemmt seinen Gedanken freien Lauf ließ.
    Cleo herrschte, wie konnte es anders sein, über den Pingpongtisch und seine unmittelbare Umgebung.
    Ihre ungestüme Art und furchterregende Erscheinung schüchterten die meisten anderen Patienten

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