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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ein, wovon sich auch Francis nicht ganz freisprechen konnte. Andererseits besaß sie für ihn eine Lebhaftigkeit, die er bei den meisten anderen vergeblich suchte und die er genoss, und er wusste, dass sie witzig sein konnte und nicht selten andere zum Lachen brachte, eine seltene, unschätzbare Gabe in der Klinik. Sie hatte ihn bald in einiger Entfernung erspäht und blickte ihm mit einem wilden Grinsen entgegen.
    »C-Bird! Kommst du, um mich herauszufordern?«, fragte sie.
    »Nur, wenn du mich zwingst«, erwiderte Francis.
    »Dann bestehe ich drauf. Zwinge ich dich. Bitte …«
    Er ging hin und nahm einen Schläger in die Hand. »Ich muss mit dir darüber sprechen, was du in dieser Nacht gesehen hast.«
    »In der Mordnacht? Schickt dich die Staatsanwältin vor?«
    Er nickte.
    »Es hat etwas mit diesem Verräter zu tun, den sie sucht?«
    »Stimmt.«
    Cleo schien einen Moment zu überlegen, dann hielt sie den kleinen, weißen Tischtennisball in die Höhe und betrachtete ihn aus der Nähe. »Weißt du, was«, sagte sie, »du kannst deine Fragen stellen, während wir spielen. Solange du den Ball zurückschlägst, beantworte ich deine Fragen. Nennen wir es ein Spiel im Spiel.«
    »Ich weiß nicht …«, fing Francis an, doch Cleo tat seinen Protest mit einer nonchalanten Handbewegung ab.
    »Es ist eine Herausforderung«, sagte sie.
    Damit warf sie den Ball in die Luft und machte den Aufschlag. Francis beugte sich über den grünen Tisch und schlug den Ball zurück. Cleo nahm ihn spielend, und plötzlich erfüllte ein rhythmisches Pingpong den Raum, ein zügiges Wechselspiel.
    »Hast du noch mal über das nachgedacht, was du in der Nacht gesehen hast?«, fragte Francis, während er zum nächsten Schlag ausholte.
    »Natürlich«, erwiderte Cleo und nahm den Ball mühelos an. »Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fasziniert mich die Sache. Hier in Ägypten steht uns einiges ins Haus, nicht wahr, und Rom verfolgt seine eigenen Interessen, oder etwa nicht?«
    »Inwiefern?«, hakte Francis nach und ächzte, auch wenn er den Ball nicht verschenkte.
    »Was ich gesehen habe, dauerte nur ein paar Sekunden«, sagte Cleo, »aber ich denke, das Wenige, was ich gesehen habe, sprach Bände.«
    »Erzähl weiter«, sagte Francis.
    Cleo erwiderte den nächsten Schlag ein wenig schneller und stärker angeschnitten, so dass er ihn mit der Rückhand nehmen musste, was ihm zu seinem eigenen Staunen gelang. Er sah, wie Cleo seine Vorlage grinsend nahm und spielend parierte. »Dass er nach allem, was er getan hatte, es wagte, den Schlafsaal zu betreten«, sagte Cleo, »war für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass es kaum etwas gibt, wovor er Angst hat, nicht wahr?«
    »Ich kann dir nicht folgen«, sagte Francis.
    »Und ob du das kannst«, erwiderte Cleo und machte diesmal eine einfache Vorlage mitten über die Platte. »Wir haben hier doch alle vor etwas Angst, C-Bird, oder etwa nicht? Entweder vor dem, was in uns selber steckt oder in den anderen oder vor dem, was draußen ist. Wir haben Angst vor Veränderungen. Wir haben Angst davor, zu stagnieren. Wir sind wie versteinert, wenn irgendetwas aus dem gewohnten Rahmen fällt. Bei jeder Veränderung in der Alltagsroutine verfallen wir in Panik. Jeder hier will anders sein, aber das erscheint uns bedrohlicher als irgendetwas sonst. Was sind wir also? Wir leben in einer Welt, die so gefährlich ist, dass wir ihr nicht gewachsen sind. Kannst du mir folgen?«
    Alles, was Cleo gesagt hatte, räumte Francis ein, entsprach der Wahrheit. »Willst du damit sagen, dass wir Gefangene sind?«
    »Häftlinge. Allerdings«, erwiderte sie. »In jeder Hinsicht gefangen: durch Mauern, Medikamente, unsere eigenen Gedanken.« Diesmal schlug sie den Ball ein wenig fester, doch so, dass er ihn noch erwischte. »Aber der Mann, den ich gesehen habe, also, der war es offenbar nicht. Oder falls doch, dann tickt er vollkommen anders als alle anderen hier, nicht wahr?«
    Francis schlug den Ball ins Netz. Er kullerte zu ihm zurück.
    »Der Punkt geht an mich«, sagte Cleo. »Du hast den Aufschlag.«
    Francis schlug den Ball über die Platte, und wieder erfüllte das Klicken ihres Schlagabtauschs den Raum. »Er hatte keine Angst«, sagte Francis, »als er diese Tür zu eurem Schlafsaal öffnete …«
    Cleo fing den Ball in der Luft auf und setzte dem Spiel ein Ende. Sie beugte sich über die Platte. »Er hat Schlüssel«, sagte sie ruhig. »Er hat Schlüssel wozu? Zu den Türen im Amherst? Oder darüber

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