Die Antikriegs-Maschine
sich und der Welt zufrieden, weil Hutchmans Flucht nicht erwähnt worden war. Aber er hatte auch die Überzeugung gewonnen, der Fall Hutchman müsse Auswirkungen haben, von denen er wohl nie etwas erfahren werde.
12
Die Atwoods hatten mehrere Mieter, aber da Hutchman als einziger Vollpension wünschte, war er zum Abendessen mit der Familie in die Küche eingeladen worden. Dort sei es gemütlicher, meinte Mrs. Atwood, als allein im Eßzimmer, das ohnehin schwer zu heizen sei. Hutchman war anfangs nicht sonderlich begeistert von dieser Idee, aber nach einem ganzen Tag in dem kleinen Zimmer mit den Blütentapeten freute er sich auf eine warme Küche. Außerdem wollte er alles vermeiden, was heimlichtuerisch oder verdächtig wirken konnte.
Er rasierte sich die Oberlippe, um seinen Bart zu betonen, trat auf den Treppenabsatz hinaus und mußte feststellen, daß die Tür sich nicht absperren ließ. Der Schlüssel klemmte im Schloß. Hutchman konnte die Tür also von innen hinter sich verriegeln, aber nie von außen abschließen, wenn er wegging.
Hutchman war unwillkürlich betroffen, als ihm klar wurde, wie andere Leute auf anderen Lebensebenen dachten. Er ging die Treppe hinunter und öffnete zögernd die Küchentür. Warmer Kochdunst strömte an ihm vorbei. Am Küchentisch war für vier Personen gedeckt. Mrs. Atwood und der kleine Geoffrey saßen bereits am Tisch, und der größte Mann, den Hutchman je. gesehen hatte, wärmte sich am Herd.
»Herein mit Ihnen, mein Junge!« sagte er brüllend laut. »Machen Sie die Tür zu – hier zieht’s.«
»Ja, natürlich.« Hutchman betrat die Küche. Der Riese mußte Mr. Atwood sein. »Wo soll ich…«
»Am besten setzen Sie sich hier neben Geoffrey«, antwortete die Blondine. Sie nahm den Deckel von einer weißen Kasserolle und füllte blaugeränderte Teller mit Irish Stew. Hutchman betrachtete den Kleinen neben sich: ein Junge in Davids Größe, aber mit dem Röcheln eines Asthmatikers. Geoffrey erwiderte seinen Blick nicht.
»Bitte sehr, Mr. Rattray.« Mrs. Atwood benutzte den Namen, den Hutchman angegeben hatte. Sie wollte ihm den Teller geben, aber in diesem Augenblick kam ihr Mann an den Tisch.
»Das ist eine Spatzenportion!« dröhnte er. »Gib ihm noch etwas, Jane.«
Hutchmann griff nach dem Teller. »Nein, danke, das ist mehr als genug.«
»Unsinn!« widersprach Atwood lautstark. Hutchman sah den Jungen zusammenzucken. »Füll ihm nur auf, Jane.«
»Aber ich…« Hutchman schwieg, als er Mrs. Atwoods bittenden Gesichtsausdruck sah, und ließ sich noch etwas zu seiner ohnehin reichlichen Portion auffüllen.
»Langen Sie nur zu!« forderte Atwood ihn auf, nahm seinen eigenen Teller entgegen und begann mit einem Suppenlöffel zu essen. »Und du ißt deine Portion auch auf, Geoffrey.«
»Ja, Dad«, murmelte der Junge gehorsam und begann zu essen.
Hutchman hatte Mitleid mit dem Jungen, der unter seinem Vater zu leiden schien, und versuchte sich vorzustellen, wie dieser Riese auf einen Siebenjährigen wirken mußte: gigantisch, erschreckend, unfaßbar, unverständlich und… Dann merkte er, daß Atwood ihn als Mr. Rattray angesprochen hatte.
»Wie bitte?«
Atwood seufzte schwer. »Ich habe gefragt, wo Sie arbeiten, mein Junge.«
»Im Augenblick nirgends.« Hutchman hatte nicht erwartet, ausgefragt zu werden, und sprach unfreundlich, um weitere Fragen abzuwehren.
»Aber als was arbeiten Sie, wenn Sie wo arbeiten?« Atwood ließ nicht locker.
»Äh… ich bin Konstrukteur.« Hutchman merkte, daß der andere sich darunter nicht viel vorstellen konnte. »Oder eigentlich technischer Zeichner«, fügte er rasch hinzu.
Atwood war sichtlich beeindruckt. »Kein schlechter Beruf. Technische Zeichner werden hier ständig gesucht.«
»Ja – darum bin ich auch hergekommen. Ich will ein paar Tage Urlaub machen und mich dann umsehen.« Hutchman hatte den Eindruck, eine glaubwürdige Geschichte erzählt zu haben.
»Ich habe ein Lebensmittelgeschäft«, erklärte ihm Atwood. »Trinken Sie gern einen Schluck?«
»Bier? Manchmal.«
»Gut, dann genehmigen wir uns nach dem Abendessen ein paar Gläser in meiner Stammkneipe.«
»Danke, aber ich möchte heute abend lieber nichts trinken.«
»Unsinn!« knurrte Atwood. »Sie müssen doch unser Ale probieren.« Er warf einen Blick auf Hutchmans noch immer fast vollen Teller. »Essen Sie auf, mein Junge! Kein Wunder, daß Sie so zaundürr sind.«
»Hör endlich auf, George«, fauchte Mrs. Atwood. »Denk lieber daran, daß Mr.
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