Die Antikriegs-Maschine
tat einfach, was er tun mußte, und hatte keinen anderen Vorteil davon, als irgendeinen Bekannten auf der Straße sehen und sofort sagen zu können, wohin und weshalb er um diese Zeit unterwegs war.
Deshalb wußte er auch, daß Vicky Hutchman – obwohl er noch nie mit ihr gesprochen hatte – aller Voraussicht nach am Dienstag morgen um zehn Uhr durch die Arkaden der High Street in Crymchurch kommen würde. Am Ende der Arkaden lag ein teurer Schönheitssalon, den sie wöchentlich einmal aufsuchte, und soviel Spain von Mrs. Hutchman gehört hatte, war sie keine Frau, die sich durch Kleinigkeiten wie eine zerrüttete Ehe und einen verschwundenen Mann von ihrer Schönheitspflege abhalten ließ.
Spain sah auf seine Uhr und fragte sich, wie lange er warten konnte, falls sie sich verspätete. Maxwell, sein Chef, hatte in letzter Zeit mehrmals davon gesprochen, daß niemand zwei Herren gleichzeitig dienen könne. Die Abrechnung mit Hutchman war wichtig – aber nicht so wichtig, daß Spain dafür Geld verlieren wollte, was unweigerlich der Fall war, wenn Maxwell provoziert wurde und ihn zwang, auf seine Nebenbeschäftigung zu verzichten.
Er räusperte sich, als er Vicky Hutchman herankommen sah, trat aus dem Hauseingang, in dem er gewartet hatte, und prallte fast mit ihr zusammen.
»Entschuldigung«, murmelte er. »Oh… Sie sind doch Mrs. Hutchman, nicht wahr?«
»Ja.« Sie betrachtete ihn mit kaum verhohlenem Abscheu, was ihn an ihren Mann erinnerte und in seinem Vorsatz bestärkte. »Tut mir leid, aber ich weiß nicht…«
»Donald Spain.« Er räusperte sich noch einmal. »Ich bin mit Hutch befreundet. Im Büro, wissen Sie.«
»Oh?« Mrs. Hutchman runzelte zweifelnd die Stirn.
»Ganz recht. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie leid uns allen diese dumme Geschichte tut. Es gibt bestimmt eine…«
»Danke. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Mr. Spain – ich bin angemeldet.« Sie wollte weitergehen.
Jetzt mußte er zustoßen. »Wie ich sehe, hat die Polizei ihn noch nicht gefunden. Ich glaube, daß es richtig war, daß Sie nichts von dem Sommerhaus gesagt haben. Wahrscheinlich hält er sich dort…«
»Sommerhaus?« Sie runzelte die Stirn. »Wir haben keines.«
»Das in Hastings – Channing Way einundreißig, nicht wahr? Ich erinnere mich an die Adresse, weil Hutch mich wegen des Mietvertrags um Rat gebeten hat.«
»Channing Way«, wiederholte sie mit schwacher Stimme. »wir haben dort kein Sommerhaus.«
»Ja, natürlich…« Spain lächelte. »Ich habe schon zuviel gesagt, Mrs. Hutchman. Keine Angst, ich habe bisher den Mund gehalten und kann auch in Zukunft schweigen. Wir alle haben Hutch viel zu gern, um…« Er sprach nicht weiter, als Mrs. Hutchman in der Menge untertauchte, sondern wandte sich zufrieden lächelnd ab.
14
Beaton war als Sohn eines Porzellanfacharbeiters im Nordwesten Rumäniens in Oradia zur Welt gekommen. Er hatte zweiunddreißig Jahre lang den Namen Wladimir Khaikin getragen, aber er
hieß jetzt schon so lange Clive Beaton, daß sein eigentlicher Name selbst ihm fremdartig erschien. Er war frühzeitig Soldat geworden, hatte sich durch Fleiß und Energie hervorgetan und bestimmte
Fähigkeiten bewiesen, die eine in gewissen Kreisen als LKV bekannte Organisation auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Das Angebot, zu ihr überzutreten, war interessant genug gewesen, um ihn
dazu zu bringen, als Hauptmann aus der Armee auszuscheiden und spurlos unterzutauchen, während er ausgebildet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war seine Karriere weniger aufregend und abwechslungsreich, als er gehofft hatte – er verbrachte seine Zeit hauptsächlich damit, Touristen und Geschäftsleute aus dem Westen zu beobachten. Khaikin hatte dieses Leben gründlich satt, als sich ihm
plötzlich nicht nur eine neue Laufbahn, sondern ein ganz neues Leben eröffnete.
Es begann damit, daß ein englischer Reisebus weniger als hundert Kilometer von Khaikins Heimatstadt entfernt von der Straße abkam und in eine Schlucht stürzte. Mehrere Touristen waren augenblicklich tot; andere starben im Krankenhaus an den erlittenen schweren Verbrennungen. Das LKV überprüfte wie gewöhnlich alle Toten und fand ausnahmsweise einen, bei dem sich eine Auferstehung lohnte: Clive Beaton, 31, ledig, keine Verwandten ersten Grades, Briefmarkenhändler, wohnhaft in Salford, Lancashire. Das LKV überprüfte seine Agentenkartei und fand prompt einen Mann, dessen Äußeres – Alter, Größe, Körperbau, Haarfarbe und Teint – mit dem des Toten
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