Die Apothekerin
Spaß.
»Was hat er da?« fragte ich, um abzulenken.
Dieter sah nach, es war ein Zahn. »Was ist mit Levin?« fragte er.
»Du hast ihm die Schneidezähne ausgeschlagen.«
Dieter schien keine Reue zu empfinden. »Geschieht ihm recht. Die Schonzeit ist vorbei.«
»Ach, Dieter«, sagte ich zermürbt und unvorsichtig, »vielleicht ist er doch der Vater. Woher soll ich das so genau wissen.«
Dieter erstarrte. »Sag das noch einmal!«
Wie eine Löwin brüllte ich: »Laßt mich doch in Ruhe! Ich weiß es nicht! Vermutlich ist es keiner von euch Scheißkerlen!«
Es ging so schnell, daß ich es nicht mehr rekonstruieren kann. Ich lag am Boden, roh aus der Hängematte gerissen. Dieter hatte sich auf mich geworfen und würgte mich.
»Nutte!« schrie er immer wieder.
Alles Wehren und Strampeln nützte gar nichts, er war bärenstark. Nie wieder werde ich meine Todesangst vergessen. Aber schließlich glitt ich in eine Art Ohnmacht, und alle Angst verging. Ich wurde ganz ruhig. Mitten in Wolken und Nebel sah ich Pawel als Gott Vater mit dem Rauschebart. Auf einmal bekam ich wieder Luft. Der Würgegriff ließ nach, das Gewicht wich von mir. Benommen setzte ich mich auf. Neben mir rangen Pawel und Dieter.
Wenn nur die Polizei da wäre! Ich versuchte, auf die Beine zu kommen. Pawel lief blau an und bekam keine Luft mehr. Dieter brüllte: »Das also ist der Hurenbock, der sich nachts ins Haus schleicht und dir Kinder macht!«
Ich mußte sofort etwas unternehmen. Ohne die geringste Wirkung donnerte ich einen Keramiktopf mit gelbem Hahnenkamm auf Dieters Rücken. Was aber funkelte neben mir im Tonkübel eines Philodendron? Das scharfe Tranchiermesser, das Levin fallen gelassen hatte.
Ich bin zwar eine geschickte Apothekerin und Hausfrau, ich habe auch mehr Kräfte, als man mir zutraut, aber im Messerwerfen bin ich eine Null. Es flog viel zu flach durch die Luft und traf keineswegs den Rücken, sondern streifte bloß Dieters Arm. Anscheinend spürte er einen leichten Stich, aber es reichte, daß er sekundenlang von Pawel abließ, um sich herumzudrehen. Beim Anblick seiner eigenen Blutstropfen wurde ihm wieder schlecht.
Pawel bekam seine rechte Hand unter Dieters Gewicht frei und erwischte das Messer. Aber bevor er etwas anderes damit anstellte, als es zu umklammern, kollabierte Dieter und fiel ins Messer.
Als Pawel sich mühsam erhoben hatte, kommandierte er: »Die Polizei!« Ich rannte ans Telefon.
Zitternd kam ich zurück in den Wintergarten, und Pawel nahm mich in die Arme. Wie Hansel und Gretel hielten wir uns stumm umfangen und strichen uns immer wieder beruhigend über den Rücken. Wir wagten beide nicht, einen Blick auf den Schwerverletzten zu werfen.
Als Polizei- und Krankenwagen eintrafen, waren wir noch nicht richtig vernehmungsfähig. Ich bekam eine Beruhigungsspritze. Pawel lehnte ab.
Die Sanitäter, die bereits Levin weggeschafft hatten, waren wichtige Zeugen, daß in diesem Hause bereits vorher eine Auseinandersetzung stattgefunden hatte; bedauerlicherweise schlug das jedoch nur negativ zu Buche, weil ich über Levins Verletzung nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Nachdem man im Wintergarten fotografiert und Spuren gesichert hatte, mußten Pawel und ich mit auf die Wache kommen und ein Protokoll unterzeichnen. Unsere Strangulationsmale wurden von einem Krankenhausarzt dokumentiert.
Schließlich durften wir gehen. Ich bat Pawel, bei mir zu bleiben, weil ich um keinen Preis allein sein wollte. Doch es ging nicht, er hatte schon jetzt ein schlechtes Gewissen wegen seiner Kinder.
»Ich ruf dich morgen an«, versprach er, »dann sehen wir weiter.«
Um mich zu betäuben, verbrachte ich den Rest der Nacht damit, meine Pflanzen im Wintergarten zu gießen.
Die Zwergkokospalme und der stachlige Christusdorn verlangten selten Wasser; die Gewächse aus Guyana brauchten dagegen viel Wärme und Luftfeuchtigkeit, mit Hingabe goß ich den südamerikanischen Tüpfelfarn. Mein schon so oft geschändeter Wintergarten sollte alle Liebe und Pflege erhalten, zu der ich fähig war; aber Tamerlan und die Orchideen sahen mich vorwurfsvoll an und litten.
17
»Schnee in Silvesters Nacht hat nie viel Geld gebracht«, sagte meine Bettnachbarin hämisch.
Ich hasse dumme Sprichwörter, falls es sich hier überhaupt darum handelte. Ich konterte: »Alter schützt vor Torheit nicht.«
Sie war nicht beleidigt. »Parfüm?« fragte sie.
Anscheinend stank ich. »Haben wir heute Chefvisite?« fragte ich, weil sie besonders heftig sprengte.
Aber der Ersehnte
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