Die Aquitaine-Verschwoerung
tauchte langsam unter, das Gesicht nach oben gewandt, die Augen offen, sein Gesichtsfeld ein schlammiges, verschwommenes Stück Wasseroberfläche. Der Scheinwerferstrahl wurde heller und schien eine Ewigkeit lang über ihm zu schweben. Joel schob sich etwas nach links, dann entfernte sich der Lichtstrahl. Jetzt tauchte Joel auf, die Lungen drohten ihm zu bersten; doch er wusste, dass er keinen Laut von sich geben durfte. Er durfte jetzt seine Lungen nicht mit Luft vollpumpen. Denn über ihm, unmittelbar, weniger als zwei Meter entfernt, ragte das breite Heck der Motorbarkasse auf und dümpelte im Wasser, als hätte man die Maschinen gestoppt. Die dunkle Gestalt eines Mannes spähte durch einen riesigen Feldstecher ans Flussufer.
Converse war verwirrt; es war viel zu dunkel, als dass man irgendetwas hätte sehen können. Dann erinnerte er sich wieder und begriff, weshalb das Glas so groà war. Der Mann betrachtete das Ufer durch ein Infrarotglas; die Streifen in Südostasien hatten sie benutzt, und sie hatten häufig den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeutet. Sie lieÃen Gegenstände in der Finsternis erkennen, Soldaten, Wachen, alles.
Lautlos tauchte Converse wieder unter und schwamm an dem Boot vorbei. Sekunden später hob er den Kopf wieder über das Wasser. Jetzt hatte er ein freies Blickfeld und begann die eigenartigen Manöver von Leifhelms Streife zu verstehen. Hinter der dunkelsten Stelle des Flussufers, wo er Zuflucht gesucht hatte, waren die Lichter, die er vor acht oder neun Minuten gesehen hatte. Er hatte geglaubt, es handle sich um die Lichter eines kleinen Dorfes, aber so etwas gab es in diesem Teil der Welt nicht. Das Licht kam vielmehr von vier oder fünf kleinen Häusern, einer Flusskolonie mit einer gemeinsamen Anlegestelle, vielleicht Sommerhäuser von wohlhabenden Leuten.
Aber wenn da Häuser und eine Anlegestelle waren, dann musste es auch eine StraÃe gebenâ eine Zufahrt zu den StraÃen, die nach Bonn und in die umliegenden Städte führten. Leifhelms Männer kämmten jeden Zentimeter Boden am Ufer ab, vorsichtig, lautlos, und die Lichtbalken der Scheinwerfer waren nach unten gerichtet, um die Bewohner nicht zu alarmieren oder den Flüchtling zu warnen, falls der die Häuser schon erreicht hatte und zu den StraÃen unterwegs war. In mancher Hinsicht war es für Joel wieder so wie auf dem Huong Khe, nur dass die Hindernisse, die ihm diesmal im Wege standen, viel weniger primitiv, aber um nichts weniger tödlich waren. Und damals, ebenso wie jetzt, galt es zu warten, in dem schwarzen Schweigen zu warten, den Jägern die Initiative zu überlassen.
Plötzlich schob sich die Barkasse an die Anlegestelle heran, ihre kräftigen Doppelschrauben wühlten das Wasser auf, ein Mann sprang mit einer schweren Leine vom Bug und befestigte sie an einem Poller. Weitere Männer folgten, hasteten über den kurzen Pier und die Böschung hinauf, trennten sich und liefen auf das erste Haus zu. Was sie taten, war offensichtlich: Ein Mann würde sich an dem Gebüsch neben der Einfahrt postieren, während seine Kollegen bei den Hausbewohnern nachfragten, ob man jemandem Zuflucht gewährt hätteâ die Nervosität würde die Bewohner verraten, angsterfüllte Blicke oder Schlammspuren auf dem Boden.
Joels Arme und Beine begannen sich wie schwere Gewichte anzufühlen, die er kaum halten, geschweige denn bewegen konnte, aber er hatte keine Wahl. Der Scheinwerferbalken tastete immer wieder den Uferstreifen auf und ab. Ein Kopf, der im falschen Augenblick durch die Wellen kam, würde sofort zur Zielscheibe werden. Huong Khe. Du musst im Schilf bleiben. Tu es! Du darfst nicht sterben!
Er wusste, dass er höchstens dreiÃig Minuten warten musste, aber ihm kam es vor wie dreiÃig Stunden oder dreiÃig Tage auf dem Folterbett. SchlieÃlich sah er mit wassergefüllten Augen, wie die Männer zurückkehrten. Einer, zwei⦠drei?Sie rannten an die Anlegestelle hinunter zu dem Mann, der die Leine festgemacht hatte. Nein! Der Mann, der beim Boot geblieben war, war nach vorn gelaufen. Joels Augen tränten und begannen ihn zu täuschen. Nur zwei Männer waren auf das Dock gelaufen und der erste hatte sich zu ihnen gesellt, Fragen gestellt. Jetzt lief er zu dem Poller zurück und löste die Leine; die zwei anderen sprangen an Bord. Der erste Mann schloss sich wieder seinen Gefährten an, die
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