Die Arena
hakte Horace' Leine aus, damit er auf den Beifahrersitz springen konnte, setzte sich ans Steuer und versuchte nachzudenken. Sie hatte Rose Twitchell gern, aber Rosie würde diesen langen, qualvollen Tag noch einmal durchhecheln wollen. Und sie würde wissen wollen, was man wegen Dale Barbara unternehmen könne und solle. Sie würde von Julia Ideen erwarten, und Julia hatte keine.
Unterdessen starrte Horace sie an, schien mit gespitzten Ohren und glänzenden Augen zu fragen, wie es jetzt weiterging. Dabei fiel ihr die Frau ein, die ihren Hund verloren hatte: Piper Libby. Piper würde sie aufnehmen und ihr ein Bett geben, ohne sie zuzulabern. Und wenn Julia einigermaßen geschlafen hatte, würde sie vielleicht wieder denken können. Vielleicht sogar etwas planen.
Sie ließ den Motor des Prius an und fuhr zur Congo Church hinauf. Aber das Pfarrhaus war dunkel, und an der Haustür hing ein Zettel. Julia zog die Reißzwecke heraus, nahm den Zettel ins Auto mit und las ihn unter der Deckenleuchte.
Ich bin ins Krankenhaus gefahren. Dort gab es eine Schießerei. Julia fing wieder an, den wimmernden Klagelaut auszustoßen, aber sobald Horace zu winseln begann, als wollte er einstimmen, riss sie sich zusammen. Sie legte den Rückwärtsgang ein und brachte den Wahlhebel dann lange genug in Stellung P, um den Zettel wieder an die Haustür zu hängen - für den Fall, dass irgendein anderes Gemeindemitglied mit der Last der Welt auf seinen (oder ihren) Schultern vorbeikam, um bei der letzten in The Mill verbliebenen Geistlichen Trost zu suchen.
Wohin jetzt? Doch zu Rosie? Aber Rosie war vielleicht schon im Bett. Ins Krankenhaus? Trotz ihres Schocks und ihrer Erschöpfung hätte Julia sich dazu gezwungen, dorthin zu fahren, wenn es einen Zweck erfüllt hätte. Aber nun gab es keine Zeitung mehr, die über das Geschehen im Krankenhaus berichten konnte, und somit keinen Grund, sich neuen Schrecken auszusetzen.
Sie stieß rückwärts aus der Einfahrt und fuhr den Town Common Hill hinauf, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben, bis sie die Prestile Street erreichte. Drei Minuten später parkte sie in Andrea Grinnells Einfahrt. Aber auch dieses Haus war dunkel. Auf ihr leises Klopfen hin antwortete niemand. Da sie nicht wissen konnte, dass Andrea oben in ihrem Bett lag und erstmals fest schlief, seit sie ihre Tabletten abgesetzt hatte, vermutete Julia, sie sei bei ihrem Bruder Dougie oder übernachte bei einer Freundin.
Unterdessen saß Horace auf der Fußmatte, sah zu ihr auf und wartete darauf, dass sie die Initiative ergriff, wie sie es immer getan hatte. Aber Julia war zu ausgebrannt, um das zu tun, und zu müde, um weiter herumzufahren. Sie wusste ziemlich sicher, dass sie mit dem Prius von der Straße abkommen und sie beide umbringen würde, wenn sie irgendwo hinzufahren versuchte.
Woran sie dachte, war nicht das brennende Gebäude, in dem ihr gesamtes Leben gespeichert gewesen war, sondern Colonel Cox' Gesichtsausdruck, als sie ihn gefragt hatte, ob man sie aufgegeben habe.
Negativ, hatte er gesagt. Absolut nicht. Aber er hatte es nicht geschafft, ihr dabei in die Augen zu sehen.
Auf Andreas Rasen stand eine Hollywoodschaukel. Notfalls konnte sie darauf schlafen. Aber vielleicht ...
Sie versuchte die Haustür zu öffnen und fand sie unversperrt. Julia zögerte; Horace dagegen nicht. In der Überzeugung, überall willkommen zu sein, lief er sofort ins Haus. Julia folgte ihm am anderen Ende der Leine und dachte: Jetzt trifft mein Hund die Entscheidungen. So weit ist es mit mir gekommen.
»Andrea?«, rief sie halblaut. »Andi, bist du zu Hause? Ich bin's Julia.«
Oben, wo Andrea auf dem Rücken liegend wie ein Fernfahrer nach einer Viertagetour schnarchte, bewegte sich nur ein Teil ihres Körpers: der linke Fuß, der sein durch den Entzug bedingtes Zucken und Klopfen noch nicht aufgegeben hatte.
Im Wohnzimmer war es düster, aber nicht ganz finster; Andi hatte in der Küche eine batteriebetriebene Lampe eingeschaltet gelassen. Und hier roch es nicht gut. Die Fenster waren offen, aber weil kein Wind ging, hatte der Geruch von Erbrochenem sich nicht ganz verflüchtigt. Hatte ihr nicht jemand erzählt, Andrea sei krank? Dass sie vielleicht eine Grippe habe?
Vielleicht hat sie eine, aber das können genauso gut Entzugssymptome sein, wenn ihr die Tabletten, die sie schluckt, ausgegangen sind.
Aber Krankheit blieb Krankheit, und kranke Leute wollten im Allgemeinen nicht allein sein. Was wiederum bedeutete, dass das Haus leer
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