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Die Arena

Titel: Die Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vorläufig war Big Jim mit dem Status quo sehr zufrieden.
    Er öffnete die Fahrertür des Vans, und in diesem Augenblick ließ keine Meile nördlich der Black Ridge eine gewaltige Explosion den Tag erzittern. Es war, als hätte Gott sich herabgebeugt und aus einer himmlischen Schrotflinte einen Schuss abgegeben.
    Rusty schrie überrascht auf und hob den Kopf Er musste die Augen sofort mit einer Hand vor der grellen Sonne schützen, die vorübergehend über der Grenze zwischen der TR-90 und Chester's.
    Mill leuchtete. Ein weiteres Flugzeug war gegen die Kuppel geprallt. Nur war die Maschine diesmal nicht bloß eine Seneca V gewesen. Von dem Aufprallpunkt, der nach Rustys Schätzung in mindestens siebentausend Meter Höhe lag, stiegen schwarze Rauchwolken auf. Wenn die von den Marschflugkörpern zurückgelassenen schwarzen Flecken Schönheitspflästerchen auf der Wange des Tages gewesen waren, dann war dieser neue Fleck Hautkrebs. Ein Geschwür, das man hatte wuchern lassen.
    Er dachte nicht mehr an den Generator. Er dachte nicht mehr an die vier Menschen, die auf ihn warteten. Er dachte nicht mehr an seine eigenen Kinder, für die er vorhin riskiert hatte, lebend verbrannt zu werden und spurlos zu verschwinden. Ungefähr zwei Minuten lang war in seinem Kopf nur Raum für blankes Entsetzen.
    Auf der anderen Seite der Kuppel regnete es Flugzeugtrümmer.
    Dem eingedrückten Bug der Verkehrsmaschine folgte ein brennendes Triebwerk; dem Triebwerk folgte ein Wasserfall aus blauen Flugzeugsitzen, viele davon mit noch angeschnallten Fluggästen; den Sitzen folgte eine ungeheuer große glänzende Tragfläche, die wie ein Stück Papier in starkem Aufwind hin und her schaukelte; der Tragfläche folgte das Flugzeugheck, das vermutlich von einer 767 stammte. Das Seitenleitwerk war dunkelgrün lackiert. In hellerem Grün trug es etwas, was Rusty für ein Kleeblatt hielt.
    Kein gewöhnliches Kleeblatt, sondern das Wahrzeichen Irlands. Dann stürzte der Flugzeugrumpf wie ein abgebrochener Pfeil zur Erde und setzte beim Aufschlag den Wald in Brand.
     
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      Die Detonation lässt die Kleinstadt erzittern, und alle laufen ins Freie. Überall in Chester's Mill kommen sie aus den Häusern, um zu sehen, was passiert ist. Sie stehen vor ihren Häusern, in Einfahrten, auf Gehsteigen, mitten auf der Main Street. Und obwohl der Himmel nördlich ihres Gefängnisses überwiegend bewölkt ist, müssen sie ihre Augen vor dem grellen Lichtschein schützen, den Rusty an seinem Standort auf der Black Ridge wie eine zweite Sonne wahrgenommen hat.
    Sie erkennen natürlich, was es ist; die Scharfsichtigeren unter ihnen können sogar den Namen auf dem Rumpf des abstürzenden Flugzeugs lesen, bevor es hinter den Bäumen verschwindet. An dieser Sache ist nichts Übernatürliches; sie hat sich sogar schon einmal hier ereignet - und das erst diese Woche (allerdings zugegebenermaßen in kleinerem Maßstab). Aber in den Herzen der Einwohner von Chester's Mill weckt es düstere Ängste, die von nun an die ganze Stadt beherrschen werden, bis zum Ende.
    Wer jemals einen Todkranken gepflegt hat, kann einem erzählen, dass irgendwann ein Wendepunkt erreicht wird, an dem alles Leugnen aufhört und durch Hinnahme ersetzt wird. Für die meisten Bürger von Chester's Mill kam dieser Wendepunkt am 25. Oktober vormittags, während sie allein oder mit ihren Nachbarn auf der Straße standen und beobachteten, wie mehr als dreihundert Menschen in die Wälder der TR-90 abstürzten.
    Früher an diesem Morgen trugen ungefähr fünfzehn Prozent der Bürger blaue »Solidaritäts«-Armbinden; bei Sonnenuntergang am Mittwochabend wird ihre Zahl sich verdoppelt haben. Wenn dann morgen früh die Sonne aufgeht, werden es über fünfzig Prozent der Einwohnerschaft sein.
    An die Stelle des Leugnens tritt Hinnahme, und Hinnahme erzeugt Abhängigkeit. Wer jemals einen Todkranken gepflegt hat, kann einem auch das erzählen. Kranke brauchen jemanden, der ihnen ihre Tabletten und Gläser mit kaltem süßen Saft bringt, damit sie ihre Pillen hinunterspülen können. Sie brauchen jemanden, der ihnen die schmerzenden Gelenke sanft mit Arnika-Gel einreibt. Sie brauchen jemanden, der bei ihnen sitzt, wenn die Nacht dunkel ist und die Stunden sich hinziehen. Sie brauchen jemanden, der sagt: Schlaf jetzt, morgen früh ist es wieder besser. Ich bin da, also kannst du ruhig schlafen. SchIaf jetzt. Schlaf und überlass die Sorge um alles andere mir. Schlaf
     
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      Officer Henry Morrison

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