Die Arena
die andere Hand. Er enthielt wirklich ihr Strickzeug - aber auch die VADER-Akte und den Revolver Kaliber .38, den ihr Bruder Twitch ihr als Schutzmaßnahme geschenkt hatte. Ihrer Überzeugung nach war er ebenso gut zum Schutz einer Stadt geeignet. Jede Stadt glich einem Organismus, aber sie hatte dem menschlichen Körper etwas voraus: Wenn eine Stadt ein krankes Gehirn hatte, konnte man ihr ein neues einpflanzen. Und vielleicht würde es zu gar keiner Schießerei kommen. Darum betete sie im Stillen.
Julia musterte sie prüfend. Andrea merkte, dass sie abgedriftet war.
»Ich will heute Abend einfach unter den gewöhnlichen Leuten sitzen, denke ich. Aber ich werde meine Stimme erheben, wenn's so weit ist. Verlass dich darauf!«
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Andi behielt Recht: Al Timmons öffnete die Saaltüren pünktlich um sechs. Inzwischen füllte sich die Main Street, die tagsüber nahezu menschenleer gewesen war, mit Einwohnern auf dem Weg zum Rathaus. Weitere Leute aus den Wohnstraßen kamen in kleinen Gruppen den Town Common Hill herunter. Aus Eastchester und Northchester fuhren Autos vor, von denen die meisten voll besetzt waren. Heute Abend wollte anscheinend niemand allein sein.
Sie traf früh genug ein, um sich einen Platz aussuchen zu können, und entschied sich für die dritte Reihe von vorne und einen Sitz direkt am Mittelgang. Vor ihr in der zweiten Reihe saß Carolyn Sturges mit den Appleton-Kindern. Die Geschwister starrten alles und jeden mit großen Augen an. Der kleine Junge hatte etwas in der Faust, das wie ein Graham-Cracker aussah.
Auch Linda Everett gehörte zu denen, die schon sehr früh kamen. Julia hatte Andi von Rustys Verhaftung erzählt - absolut lächerlich -, so dass sie wusste, dass seine Frau verzweifelt sein musste, aber das tarnte sie ausgezeichnet mit sorgfältigem Makeup und einem hübschen Kleid mit großen aufgesetzten Taschen. Angesichts ihrer eigenen Verfassung (trockener Mund, Kopfschmerzen, rebellierender Magen) bewunderte Andi ihre Selbstbeherrschung.
»Komm, setz dich zu mir, Linda«, sagte sie und schlug mit der flachen Hand leicht auf den Sitz neben ihr. »Wie geht's Rusty?« »Das weiß ich nicht«, sagte Linda, indem sie an Andrea VOf beiglitt und sich hinsetzte. Irgendetwas in diesen lustigen Taschen polterte gegen das Holz. »Sie lassen mich nicht zu ihm.«
»Das wird abgestellt«, versprach Andrea ihr.
»Ja«, sagte Linda grimmig. »Das wird es.« Dann beugte sie sich nach vorn. »Hallo, Kinder, wie heißt ihr?«
»Das hier ist Aidan«, sagte Caro, »und das hier ist ... «
»Ich bin Alice.« Das kleine Mädchen reichte ihr huldvoll die Hand - wie eine Königin einer treuen Untertanin. »Ich und Aidan ... Aidan und ich ... sind Daisen. Das bedeutet Dome-Waisen. Thurston hat sich das ausgedacht. Er kennt Zaubertricks, kann einem Münzen aus dem Ohr ziehen und solches Zeug.«
»Nun, ihr scheint auf den Füßen gelandet zu sein«, sagte Linda lächelnd. In Wirklichkeit war ihr nicht nach Lächeln zumute; sie war in ihrem ganzen Leben noch nie so nervös gewesen. Nur war nervös ein zu schwacher Ausdruck. Sie hatte vor Angst die Hosen voll.
15
Um halb sieben war der Parkplatz hinter dem Rathaus voll besetzt. Nachdem die Main Street zugeparkt war, kamen West Street und East Street an die Reihe. Um Viertel vor sieben waren selbst die Parkplätze vor Post und Feuerwehr belegt, und im Großen Saal des Rathauses war kaum noch ein Sitzplatz frei.
Big Jim hatte diesen Andrang vorausgesehen, entsprechend hatte Al Timmons mit Hilfe einiger der neuen Cops auf dem Rasen Bänke aus der American Legion Hall aufgeschlagen. UNTERSTÜTZT UNSERE SOLDATEN stand auf einigen. SPIELT MEHR BINGO! auf anderen. Links und rechts des Rathausportals waren zwei große Yamaha-Lautsprecher postiert.
Die meisten der Polizeitruppe - und alle erfahrenen Cops bis auf Jackie Wettington - waren anwesend, um für Ordnung zu sorgen. Als später Eintreffende sich darüber beschwerten, dass sie draußen sitzen mussten (oder sogar stehen, weil selbst die Bänke nicht ausreichten), erklärte Chief Randolph ihnen, dass sie eben früher hätten kommen sollen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Außerdem, fügte er hinzu, sei die Nacht angenehm und warm, und später werde ein weiterer rosa Vollmond zu sehen sem.
»Angenehm, wenn einen der Gestank nicht stört«, sagte Joe Boxer. Seit der Auseinandersetzung im Krankenhaus wegen seiner »befreiten« Waffeln befand der Zahnarzt sich in einem
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