Die Arena
Restaurants hielt sie so gut Kurs, dass Rose vermutete, sie habe sich heute erst mit einem oder zwei Drinks gestärkt. Das war eine gute Sache.
»Wahrscheinlich hast du Recht«, sagte Rose. »Kann's losgehen?« Joanie seufzte, dann legte sie einen Arm um die schmalen Schultern ihrer Tochter. »Wohin denn? Den Bach runter? Warum nicht? Wie lange müssen wir dort oben bleiben?«
»Weiß ich nicht«, sagte Rose.
Joanie seufzte nochmals. »Na ja, wenigstens ist es warm.« Joe fragte Norrie: »Wo ist dein Grampa?«
»Mit Jackie und Mr. Burpee in dem Van unterwegs, den er bei Rennie gestohlen hat. Er wartet draußen, wenn sie reingehen, um Rusty und Mr. Barbara rauszuholen.« Sie lächelte sorgenvoll und sichtlich verängstigt. »Er fährt das Fluchtfahrzeug.«
»Alte Trottel sind die schlimmsten«, bemerkte Joanie Calvert.
Rose hätte am liebsten ausgeholt und ihr eine geknallt, und ein Blick zu Lissa hinüber zeigte ihr, dass es auch Lissa in den Fingern juckte. Aber dies war nicht die rechte Zeit für Streitereien, von Handgreiflichkeiten ganz zu schweigen.
Nur gemeinsam sind wir stark, dachte Rose.
»Was ist mit Julia?«, fragte Claire.
»Die kommt mit Piper. Und ihrem Hund.«
Aus der Stadt herauf erklang The United Choir of Chester's Mill (durch Lautsprecher verstärkt und im Chor mit denen, die auf den Bänken im Freien saßen), der »The Star-Spangled Banner« sang.
»Los jetzt«, sagte Rose. »Ich fahre voraus.«
Joanie Calvert wiederholte mit einer Art gequälter Tapferkeit: »Wenigstens ist es warm. Komm, Norrie, lotse deine alte Ma.«
17
Auf der Südseite von LeClercs Maison des Fleurs verlief eine Lieferantenzufahrt, in der jetzt rückwärts der gestohlene AT &T-Van parkte. Ernie Calvert, Jackie Wettington und Rommie Burpee saßen darin und hörten die Nationalhymne die Straße entlangbranden. Jackie spürte, wie ihre Augen brannten, und sah, dass sie nicht als Einzige gerührt war: Ernie, der am Steuer saß, hatte ein Taschentuch aus der Hüfttasche gezogen und tupfte sich damit die Augen ab.
»Jetzt brauchen wir doch kein Zeichen von Linda«, sagte Rommie. »Die Lautsprecher hatte ich nicht erwartet. Von mir sind die nicht.«
»Trotzdem ist es gut, wenn Linda dort gesehen wird«, sagte Jackie. »Hast du deine Maske, Rommie?«
Er hielt eine Kunststoff-Version von Dick Cheneys Visage hoch.
Trotz seines großen Lagers hatte er für Jackie keine Arielle-Maske gefunden; sie musste sich mit Harry Potters Busenfreundin Hermine zufriedengeben. Ernies Darth-Vader-Maske lag hinter seinem Sitz, aber Jackie fürchtete, dass sie in Schwierigkeiten steckten, wenn er gezwungen war, sie aufzusetzen. Das hatte sie jedoch nicht laut gesagt.
Und was macht das schon? So plötzlich, wie wir aus der Stadt verschwunden sind, kann sich jeder an den Fingern abzählen, warum.
Aber ein Verdacht war noch längst kein Beweis, und wenn Rennie und Randolph nicht mehr als einen Verdacht hatten, mussten die Angehörigen und Freunde, die sie zurückließen, vielleicht mit nichts Schlimmerem als einem scharfen Verhör rech- nen.
Vielleicht. Unter den gegenwärtigen Umständen, das wusste Jackie, war das ein großes Wort.
Die Nationalhymne endete. Wieder Beifall, dann begann der Zweite Stadtverordnete zu reden. Jackie kontrollierte nochmals ihre Pistole - ihre Privatwaffe - und dachte, dass die bevorstehenden Minuten vermutlich die längsten ihres Lebens sein würden.
18
Barbie und Rusty standen an den Türen ihrer jeweiligen Zellen und hörten zu, als Big Jim seine Rede begann. Dank den Lautsprechern auf beiden Seiten des Rathausportals konnten sie ihn ziemlich gut hören.
»Danke, Danke! Danke Ihnen allen! Danke, dass Sie gekommen sind! Und danke dafür, dass Sie die tapfersten, zähesten, tatkräftigsten Bürger dieser Vereinigten Staaten von Amerika sind!« Begeisterter Applaus.
»Ladys und Gentlemen . .. und auch Kiddies, jetzt, wo ich einige im Saal sehe . .. «
Gutmütiges Lachen.
» Wir befinden uns in einer schrecklichen Notlage. Das wissen Sie alle. Heute Abend werde ich Ihnen erklären, wie wir da hineingeraten sind. Ich weiß nicht alles, aber Sie sollen erfahren, was ich weiß, weil Sie es verdient haben. Sobald ich Sie dann ins Bild gesetzt habe, müssen wir eine kurze, aber wichtige Tagesordnung abarbeiten. Aber als Allererstes möchte ich Ihnen sagen, wie STOLZ ich auf Sie bin, wie DEMÜTIG es mich macht, der Mann zu sein, den Gott - und Sie - dazu erwählt hat, in diesem
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