Die Arena
Geräusch in einem Traum.
Das Zimmer hinter der Tür mit dem gelben Zettel war Grampy Toms gewesen. Weil er unter Herzbeutelwassersucht gelitten hatte, die langsam und qualvoll zum Tod führte, war er zu ihnen gezogen, als er sich nicht mehr selbst hatte versorgen können. Anfangs konnte er noch bis in die Küche humpeln, um mit der Familie zu essen, aber zuletzt war er bettlägerig gewesen, erst mit einem Kunststoffding in der Nase - es hieß Kandelaber oder so ähnlich -, dann die meiste Zeit mit aufgesetzter Plastikmaske. Rory hatte einmal gesagt, dass er aussah wie der älteste Astronaut der Welt, und sich dafür von Mutter eine Ohrfeige eingefangen.
Zum Ende hin hatten sie sich dabei abgewechselt, seine Sauerstoffflaschen zu wechseln, und eines Nachts hatte Mutter ihn tot auf dem Fußboden aufgefunden, als hätte er aufzustehen versucht und wäre daran gestorben. Sie hatte schreiend nach Alden gerufen, der kam, die Situation mit einem Blick erfasste, an der Brust des Alten horchte und den Sauerstoff abdrehte. Shelley Dinsmore hatte sofort angefangen zu weinen. Seit damals war diese Tür meistens geschlossen gewesen.
Sorry, stand auf dem gelben Zettel an der Tür. Geh in die Stadt, Ollie. Die Morrisons oder die Dentons oder Rev. Libby nehmen Dich auf.
Ollie starrte diese Mitteilung lange an, dann drehte er den Türknopf mit einer Hand, die nicht seine eigene zu sein schien, und hoffte, dass es keine Mordssauerei war.
Das war es nicht. Sein Vater lag mit auf der Brust gefalteten Händen auf Grampys- Bett. Seine Haare waren so gekämmt, wie er sie kämmte, wenn er in die Stadt fuhr. In den Händen hielt er das Hochzeitsfoto. In einer Ecke des Zimmers stand noch eine von Grampys alten Sauerstoffflaschen; Alden hatte seine RedSox-Mütze, die mit dem Aufdruck WORLD SERIES CHAMPS, über das Ventil gehängt.
Ollie rüttelte seinen Vater an der Schulter. Er konnte Schnaps riechen, und für einige Sekunden lebte in seinem Herzen wieder Hoffnung auf (stets hartnäckig, manchmal hassenswert). Vielleicht war sein Vater nur betrunken.
»Dad? Daddy?Wach auf!«
Aber er konnte keinen Atem an seiner Wange spüren und sah jetzt, dass die Augen seines Vaters nicht ganz geschlossen waren; zwischen den oberen und unteren Lidern blitzten kleine weiße Halbmonde hervor. Und es roch nach etwas, was seine Mutter manchmal Eau de piss genannt hatte.
Dad hatte sich die Haare gekämmt, aber im Sterben liegend hatte er sich wie seine verstorbene Frau in die Hose gemacht. Ollie fragte sich, ob er sich die Sache anders überlegt hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass das passieren würde.
Ollie wich langsam von dem Bett zurück. Jetzt da er sich wünschte, sich wie in einem bösen Traum zu fühlen, wollte dieses Gefühl sich nicht einstellen. Stattdessen erlebte er eine böse Rea lität, aus der man nicht aufwachen konnte. Seine Magennerven krampften sich zusammen, und in seiner Speiseröhre stieg eine Säule aus üblem Zeug auf. Er rannte auf die Toilette, wo er sich einem wild dreinblickenden Eindringling gegenübersah. Fast hätte er aufgeschrien, bevor er im Spiegel über dem Waschbecken sich selbst erkannte.
Er kniete vor der Kloschüssel, umklammerte die für Grampy angebrachten Haltegriffe und übergab sich. Als alles heraus war, betätigte er die Spülung (dank dem Stromaggregat und einem guten, tiefen Brunnen konnte er spülen), dann klappte er den Deckel herunter und setzte sich am ganzen Leib zitternd darauf. Im Waschbecken neben ihm lagen zwei von Grampys Medizinfläschchen und eine Flasche Jack Daniel's. Alle diese Flaschen waren leer. Ollie griff nach einem Medizinfläschchen. PERCOCET stand auf dem Etikett. Er machte sich nicht die Mühe, auch das andere zu lesen.
»Jetzt bin ich allein«, sagte er.
Die Morrisons oder die Dentons oder Rev. Libby nehmen Dich auf
Aber er wollte nicht aufgenommen werden - das klang wie etwas, was seine Mutter beim Stricken hätte tun können. Er hatte diese Farm manchmal gehasst, sie aber stets mehr geliebt. Die Farm besaß ihn. Die Farm und die Kühe und der Holzstoß. Sie gehörten zu ihm, und er gehörte zu ihnen. Das wusste er so sicher, wie er wusste, dass sein Bruder Rory fortgegangen wäre und ihm eine glänzende, erfolgreiche Karriere bevorgestanden hätte, erst auf dem College, dann in irgendeiner fernen Großstadt, in der er Theatervorstellungen und Galerien und solches Zeug besuchen würde. Sein jüngerer Bruder wäre clever genug gewesen, um in der weiten Welt groß
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