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Die Arena

Titel: Die Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dich vermutlich eine Erleichterung ist.«
    Sie seufzte.
    »Wir sitzen in der Klemme, mein Freund. Ich hoffe, du verstehst das alles, denn ich tu's bestimmt nicht. Aber wir wissen beide, dass diese Kirche morgen voller Leute sein wird, die himmlische Katastrophenhilfe erwarten.«
    In ihrer Kirche war es sehr still, draußen ebenfalls. »Zu still«, wie es in alten Filmen hieß. Hatte sie The Mill an einem Samstagabend jemals so still erlebt? Es gab keinen Verkehr und auch keine wummernden Bässe der jeweiligen Band, die übers Wochenende im Dipper's spielte (stets mit DIREKT AUS BOSTON! beworben).
    »Ich werde dich nicht bitten, mich deinen Willen erkennen zu lassen, denn ich bin nicht mehr davon überzeugt, dass du tatsächlich einen hast. Aber auf die geringe Chance hin, dass es dich wirklich gibt - immer eine Möglichkeit, wie ich bereitwillig eingestehe -, bitte ich dich, mir zu helfen, etwas Hilfreiches zu sagen. Nichts von einer Hoffnung im Himmel, sondern hier auf Erden. Weil die ... « Sie war nicht überrascht, als sie merkte, dass sie angefangen hatte zu weinen. Sie heulte jetzt so oft, aber immer nur privat. Öffentliche Tränen von Geistlichen und Politikern missbilligten Neuengländer sehr energisch.
    Clover, der ihre Verzweiflung spürte, winselte. »Pst!«, sagte Piper und wandte sich wieder dem Altar zu. Das dort hängende Kreuz sah sie oft als religiöse Version der Chevrolet-Schleife: ein Firmenzeichen, das es nur gab, weil irgendein Kerl es vor hundert Jahren auf der Tapete eines Pariser Hotels gesehen und Gefallen daran gefunden hatte. Wenn man solche Symbole als göttlich betrachtete, war man vermutlich nicht ganz richtig im Kopf.
    Trotzdem machte sie weiter.
    »Weil die Erde, wie dir bestimmt bewusst ist, alles ist, was wir haben. Wessen wir uns sicher sind. Ich möchte meiner Gemeinde helfen. Das ist meine Arbeit, und ich möchte sie weiterhin tun. Falls es dich gibt und wir dir nicht gleichgültig sind - lauter ungesicherte Annahmen, das gebe ich zu -, dann hilf mir bitte. Amen.«
    Sie stand auf Obwohl sie keine Taschenlampe hatte, traute sie sich zu, den Weg nach draußen zu finden, ohne sich die Schienbeine aufzuschlagen. Sie kannte diesen Bau Schritt für Schritt und Hindernis für Hindernis. Liebte ihn sogar. Sie machte sich keine Illusionen über ihren Mangel an Glauben oder ihre hartnäckige Liebe zu der Idee an sich.
    »Komm jetzt, Clover«, sagte sie. »In einer halben Stunde spricht der Präsident. Der andere Große Nichtvorhandene. Wir können ihn uns im Autoradio anhören.«
      Clover folgte ihr gelassen, von Glaubensfragen unbeeinträchtigt.
     
    5
     
    Draußen an der Little Bitch Road (von Gemeindemitgliedern der Erlöserkirche stets Nummer drei genannt) spielte sich eine weit dynamischere Szene ab - und bei hellem elektrischem Licht. Lester Coggins' Gotteshaus besaß ein so nagelneues Notstromaggregat, dass die Versandzettel noch auf seiner orangerot lackierten Seite klebten. Er hatte seinen eigenen Schuppen, im selben Orangerot gestrichen, neben dem Lagergebäude hinter der Kirche.
    Lester war ein fünfzigjähriger Mann, der sich so gut gehalten hatte - durch genetische Veranlagung wie durch eigene Anstrengungen, den Tempel seines Körpers pfleglich zu behandeln -, dass er nicht älter als fünfunddreißig aussah (wozu die klug dosierte Verwendung von Just For Men beigetragen hatte). In dieser Nacht trug er nur eine kurze Sporthose mit dem Aufdruck ORAL ROBERTS GOLDEN EAGLES auf dem rechten Bein, und fast jeder Muskel seines Körpers trat deutlich hervor.
    In Gottesdiensten (von denen es fünf pro Woche gab) betete Lester im ekstatischen Tremolo eines Fernsehpredigers und verwandelte den Namen des Großen Chefs in etwas, was von einem übersteuerten Wah-wah-Pedal hätte kommen können: nicht Gott, sondern GOH-OH-OH-OTT! Auch im privaten Gebet verfiel er manchmal in diesen Tonfall, ohne es zu merken. Aber wenn er zutiefst besorgt war, wenn er sich wirklich mit dem Gott Moses und Abrahams beraten musste - mit ihm, der des Tages in einer Wolkensäule und des Nachts in einer Feuersäule vorauszog -, führte Lester seinen Teil des Gesprächs in einem tiefen Knurren, so dass er wie ein Hund klang, der im Begriff war, sich auf einen Eindringling zu stürzen. Dessen war er sich nicht bewusst, weil es in seinem Leben niemanden gab, der ihn hätte beten hören können. Piper Libby war eine Witwe, die ihren Mann und ihre beiden Söhne vor drei Jahren durch einen Verkehrsunfall verloren

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