Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
mit Miathan zurecht, und Anvar wußte, daß Aurian sich darüber immer größere Sorgen machte. Sie war an diesem Abend still und geistesabwesend, ihre Stirn umwölkt und von Sorgenfalten zerfurcht, die sich noch nicht einmal von Parrics verwegensten Ausfällen hatten vertreiben lassen. Die Ankunft von Vannor allerdings brachte neues Leben in das Gesicht der Magusch.
»Nun?« verlangte sie zu wissen, als sich der Kaufmann mit einem Ale zu ihnen setzte. »Hast du Dulsina inzwischen gefunden? Hast du sie gebeten, zurückzukommen?«
Vannor machte zum Spaß ein böses Gesicht. »Hätte ich denn eine andere Wahl, nachdem du und Maya mir so den Kopf gewaschen habt? Ja, ich habe sie gefunden – sie war bei einem Cousin, der in der Nähe der Garnison ein Gästehaus unterhält. Ja, sie hat sich überreden lassen, zurückzukommen – nachdem sie mich ein wenig vor sich hat kriechen lassen.«
»Das geschieht dir ganz recht dafür, daß du sie entlassen hast«, schnaubte Maya. »Wir haben kein Mitleid – oder, Aurian?«
»Kein bißchen!« kicherte die Magusch. »Du mußt zugeben, Vannor, daß es kein besonders geschickter Schachzug war, vor allem, wenn man bedenkt, daß Dulsina die einzige ist, die weiß, wo deine Kinder sind. Du hast doch gesagt, sie hätte sie zu ihrer Schwester geschickt, nicht wahr?«
»Das stimmt«, sagte der Kaufmann mit einer Herzlichkeit, die Anvar, der ihnen zuhörte, merkwürdig falsch vorkam. »Aber es ist nichts Geheimes dabei. Ihre Schwester lebt irgendwo an der Küste in der Nähe von Wyvernesse. Dulsina wollte es mir zunächst nicht erzählen – ich glaube, sie nahm an, daß ich gleich hingehen und Krach schlagen würde.« Er seufzte. »Ich vermisse sie, weißt du – vor allem Zanna –, aber Dulsinas Schwester wird gut für sie sorgen. Es wird ihnen guttun, eine Zeitlang aus der Stadt heraus zu sein, und ich muß zugeben, daß es angenehm ist, wenn Sara und Zanna sich nicht die ganze Zeit herumzanken. Wenn man etwas darüber nachdenkt, dann hat Dulsina ganz richtig gehandelt – ich hätte wissen sollen, daß sie im besten Interesse aller gehandelt hat.«
»Ich möchte wetten, daß Sara froh ist, Dulsina wieder im Haus zu haben!« Aurians Augen strahlten frech, und Anvar spitzte seine Ohren.
»Das magst du wohl sagen!« erwiderte Vannor. »Wir sind in Wahrheit alle froh, daß sie zurück ist – ohne sie löste sich der Haushalt langsam in seine Bestandteile auf. Selbst Sara hat gesagt …« Als das Gespräch diesen Punkt erreicht hatte, ging Anvar einen neuen Krug Ale holen. Vannor zuzuhören, wenn er von Sara als seiner Frau redete, war zu schmerzlich. Er kehrte gerade zu den anderen an ihren Lieblingstisch neben dem Kamin zurück, als eine bleiche, taumelnde Gestalt im Eingang der Taverne erschien. Anvar verschlug es vor Schreck die Sprache. D’arvan! Was wollte der hier?
»Aurian, dank den Göttern, daß du hier bist!« Der junge Magusch kam an den Tisch getaumelt und ließ sich Aurian, die sich inzwischen erhoben hatte, in die Arme sinken. »Miathan hat mich hinausgeworfen! Und Davorshan – er …«
»D’arvan!« Aurian hatte wie automatisch dem verzweifelten Magusch die Arme um die Schultern gelegt. Anvar sah, wie sie zurückschreckte, als ob sie etwas gestochen hätte, und als sie ihre Hände zurückzog, waren sie blutverschmiert. Die Magusch erholte sich schnell von ihrem Schrecken. »Schnell«, zischte sie Anvar zu. »Hilf mir, ihn hier herauszubringen, bevor irgend jemand etwas davon merkt!«
»Soll ich euch helfen?« fragte Vannor, aber Aurian schüttelte den Kopf. »Nein, Vannor – gib nur acht, daß niemand Verdacht schöpft, wenn das möglich ist. Ich möchte nicht, daß bekannt wird, daß ein Magusch Opfer eines Überfalls geworden ist.«
»Wir kommen sofort nach«, flüsterte Maya, die sofort begriff, was zu tun war. Anvar half der Magusch, den zusammenbrechenden D’arvan aufzufangen. Hastig verabschiedeten sie sich von Parric und Maya. Auf dem Weg zur Tür nahmen sie D’arvans steifen Körper in ihre Mitte. »Also ganz ehrlich«, sagte Maya mit lauter Stimme zu Vannor, damit jeder es hören konnte, der vielleicht neugierig war. »Sie hat ihm doch wieder und wieder gesagt, daß er nicht soviel trinken soll!«
Aurian war erleichtert, als sie schließlich den Eingang von Forrals Quartier erreicht hatten. D’arvan atmete immer angestrengter, obwohl sie nicht glaubte, daß die Wunde allzu schlimm war, denn dann hätte er es nicht geschafft, von der Akademie
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