Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sagen, aber Forral hielt seinem Blick mit steinernem Trotz stand. Wortlos drehte Miathan sich um und stürmte aus dem Saal, zum ersten Mal in seinem Leben glatt geschlagen.
Der Erzmagusch lief in seinem Zimmer auf und ab; er war kaum in der Lage, seinen Zorn zu beherrschen. Diesmal war Forral zu weit gegangen. Wie konnte er es wagen, mit diesem Emporkömmling von Vannor gemeinsame Sache zu machen und die Vorherrschaft dieses Abschaums von Sterblichen über einen der Maguschgeborenen auch noch öffentlich zur Schau zu stellen! Miathan wußte, daß ihm die Herrschaft über die Stadt entglitt und daß damit auch alle seine weiterreichenden Pläne gefährdet waren. Genug war genug. Aurian hin, Aurian her, Forral hatte soeben sein eigenes Todesurteil unterzeichnet. Miathan verzog das Gesicht, als ihm noch eine andere Sache in den Sinn kam. Etwas, das er zuvor nicht mit Forrals Widersetzlichkeit in Verbindung gebracht hatte. Seit er D’arvan am Abend zuvor verbannt hatte, war der Magusch einfach verschwunden. Wo konnte er sein? Miathans Spione hatten ihn in der Stadt nicht aufspüren können, und der Erzmagusch fragte sich nun, ob seine Entscheidung richtig gewesen war. Er hatte dem Drängen Eliseths und Bragars nachgegeben, die D’arvan loswerden wollten, der, wie sie betonten, die Fortschritte seines Bruders behindere. Es sei besser, einen wirkungsfähigen und treuergebenen Magusch in der Akademie zu haben, als zwei, die nutzlos waren, hatten sie vorgebracht. Aber Miathan kamen nun Zweifel. Jeder, in dessen Adern Maguschblut pulsierte, blieb eine potentielle Quelle magischer Kräfte, und es beunruhigte ihn, daß sich D’arvan außerhalb seines Einflußbereiches befand. Was war, wenn er zusammen mit Forral und – Miathan krümmte sich bei dem Gedanken – Aurian irgendwelche Pläne gegen ihn schmiedete? Und was meinten Eliseth und Bragar mit ›treu ergeben‹? War Davorshan dem Erzmagusch treu ergeben oder den beiden? Miathan jonglierte mit den verschiedenen Möglichkeiten und fing sich in der klassischen Falle derjenigen, deren Lebenswerk es ist, gegen andere Intrigen zu spinnen und üble Pläne auszuhecken. Er war davon überzeugt, daß die anderen ihrerseits vorhatten, ihn zu stürzen.
Eliseth und Bragar schienen ihm ergeben zu sein, aber er traute ihnen nicht ganz. Sicherlich nicht genug, um ihnen hiervon zu erzählen. Miathan streichelte den polierten goldenen Rand des Kelches, der auf dem Tisch vor ihm stand. Das hier würde ihm gute Dienste leisten, falls sie sich gegen ihn wenden sollten. Finbarrs Forschungen hatten ihn mit den Antworten versehen, die er benötigte. Dieser Kelch besaß tatsächlich die magischen Kräfte des Kessels und konnte wie alle Werkzeuge der Gramarye, der schwarzen Kunst oder hohen Magie, zum Segen oder zum Fluch werden. Miathan lächelte. Der Maguschkodex war etwas für Einfaltspinsel. Hier in seiner Hand befand sich eine Waffe, so nützlich …
Seine Überlegungen wurden unterbrochen durch ein leises Klopfen an der Tür. Miathan fluchte und bedeckte den Kelch schnell mit einem Tuch. »Herein«, rief er. Es war Meiriel. Sie verbeugte sich tief. »Entschuldigt, Lord Erzmagusch«, sagte sie, »ich muß dringend mit Euch sprechen.«
»Warum so förmlich, Meiriel, hm?« Miathan zwang Leutseligkeit in seine Stimme. Es gab kein Anzeichen dafür, daß die Heilerin gegen ihn war, und er benötigte vielleicht alle Unterstützung, die er bekommen konnte. »Komm herein, setz dich. Nimm ein Glas Wein.«
Meiriel schien sehr beunruhigt zu sein. Ihr Kiefer arbeitete; ihre Augen blickten unruhig hin und her, als sie sich gesetzt hatte und das angebotene Glas Wein vor ihr stand. Bevor er Zeit hatte, sich wieder zu setzen, war sie schon mit ihrer Neuigkeit herausgeplatzt. »Aurian ist schwanger, Erzmagusch!«
Miathan erstarrte mitten in der Bewegung. Das Zimmer schien sich zu verdunkeln und plötzlich kalt zu werden. »Bist du dir dessen ganz sicher?« flüsterte er.
»Ich bin mir sicher«, sagte Meiriel. »Die Aura einer Magusch ändert sich, wenn sie ein Kind empfangen hat. Ein Heiler kann das sehen, obwohl die Maguschfrauen selbst erst später als die sterblichen Frauen merken, daß sie schwanger sind, weil sie besser gelernt haben, ihren Zyklus zu unterdrücken, dessen Ausbleiben sie sonst warnen würde. Es kann noch nicht viel länger her sein als zwei Monate, und ich glaube nicht, daß Aurian es weiß – sie wird es wohl kaum erwartet haben. Aber bald – schon sehr bald – wird sie
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