Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Paar und wurden nicht durch unsere Schuld getrennt – ich wurde dir als Sklave verkauft, und auch sie ist verkauft worden, in eine andere Art von Sklaverei. Wir haben genug gelitten, und nun nehmen wir uns, was uns zusteht. Versuch nicht, dich einzumischen.«
»Mich einzumischen!« schrie Aurian. »Bei den Göttern, Anvar. Wie konntest du nur so tief sinken? Die Frau eines anderen Mannes – eines guten Mannes, der dir vertraut hat!«
»Du brauchst mich nicht zu belehren!« schrie Anvar zurück, außer sich vor Zorn über das heimtückische Schuldgefühl, das ihre Worte in ihm hervorgerufen hatten. »Du – du Mörderin!«
Aurian starrte ihn mit offenem Mund an; der Schock hatte alles Blut aus ihrem Gesicht weichen lassen. Dann wirbelte sie herum und war fort. Sara verzog ihren Mund zu einem selbstgefälligen Lächeln.
Auf Deck war alles ruhig. Außer dem Kapitän am Steuerrad und dem einsamen Ausguck hoch oben im Hauptmast war keine Seele zu sehen. Der Rest der Mannschaft war unter Deck, bedrückt durch den Verlust zweier Kameraden bei dem Unfall am Nachmittag. Einer der Toten war der Harpunier gewesen, um den es Aurian nicht weiter leid tat. Sie begab sich schnell zu ihrem gewohnten Platz im Vorschiff; in ihrem Kopf drehte sich noch alles um den Schock dessen, was sie gerade erlebt hatte, und von der Gehässigkeit, mit der Anvar sie angegriffen hatte.
›Mörderin!‹ Das Wort klang ihr in den Ohren. Wie hätte er es auch verstehen sollen? Für ihn war der Leviathan ein Tier. Er hätte ebensoschnell gehandelt, um ein Menschenkind zu retten. Zudem war Anvar nicht – so wie sie – als Krieger ausgebildet. Die Leute benötigten die Krieger, um für sie zu töten, damit sie ihr eigenes Gewissen nicht mit diesen Tagen belasten mußten und die Schuld auf andere abladen konnten.
Forral hatte das gewußt. Er hatte ihr einmal erklärt: »Es ist ein schmutziger Job, wenn es einmal ernst wird. Sie brauchen dich, damit du durch Blut und Dreck und Leichen watest, während deine Freunde ringsum abgeschlachtet werden. Sie brauchen dich, um mit den anderen fertig zu werden, die ihnen im Weg stehen, ohne daß sie dabei ihre schwabbeligen Leiber riskieren oder ihr schneeweißes Gewissen aufs Spiel setzen; und dann, falls du auch noch die Stirn hast, das zu überleben, danach als eine lebende Erinnerung und Mahnung herumzulaufen – dann fallen sie über dich her und schreien ›Mord‹ und ›Greueltat‹!«
»Und warum machen wir es dann?« hatte sie ihn gefragt.
Daraufhin hatte er gelächelt. »Denk doch mal an unsere Garnison hier«, hatte er gesagt. »Es gibt nichts, das mit der Kameradschaft vergleichbar ist, die wir Krieger untereinander haben. Und erinnerst du dich noch an unseren Kampf, an dem Tag, als wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben? Wenn du noch weißt, wie das damals war, dann weißt du alles.« Und sie hatte ihn verstanden.
Ihr Götter, wie vermißte sie Forral! Wie brauchte sie ihn. Ihr war nicht mehr geblieben; ihr Herz war gefüllt mit einer öden, schmerzhaften Leere. Wie sollte sie damit für den Rest ihres Lebens fertig werden. Ihr Blick fiel auf das Schnapsfäßchen, das achtlos auf Deck zurückgelassen worden war. Vor ihren Füßen rollte im Speigatt ein leerer Zinnbecher hin und her. Eine Stimme aus ihrem Inneren warnte sie vor der Gefahr, sagte ihr, daß sie aufmerksam bleiben mußte, aber sie ignorierte sie. Was machte das schon? dachte sie dumpf. Ich habe sowieso alles versaut. Sie hob den Becher auf und schenkte sich Branntwein ein. Sie ließ sich völlig gehen, aber vielleicht half das ja, den Schmerz für eine Weile zu betäuben.
Sie hatten miteinander geschlafen. Als die Magusch die Kabine verlassen hatte, hatte Sara Anvar mit gefährlicher Wildheit an sich gerissen, ihn mit sich in die Koje gezogen und an seinen Kleidern gezerrt. Es war schon so lange her … Wie hätte er widerstehen können? Wie Tiere hatten sie einander in der ekligen Kabine genommen, wie von Sinnen in ihrer Lust. Jetzt, da es vorbei war, fühlte sich Anvar ausgelaugt und schuldig und irgendwie benutzt. Die alte, süße Unschuld ihrer Liebe gab es nicht mehr. Dann beschuldigte er sich selbst der Dummheit. Er und Sara liebten einander, und jetzt war sie endlich wieder sein. Was sollte im Vergleich dazu noch eine Rolle spielen? Er drehte sich herum, um sie in die Arme zu nehmen. Vielleicht wäre es diesmal besser …
»Nicht jetzt.« Saras Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht.
»Warum nicht?« rief
Weitere Kostenlose Bücher