Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
das Zimmer erstrahlte im Lampenlicht. Vor ihr stand Harihn und schüttelte sie an den Schultern, sein gebräuntes Gesicht grau vor Schreck. Ihr linker Arm hing in einer Schlinge, und ihr Hals war vom Schreien wund. Shia stand neben ihrem Bett, ihr Gesicht eine Dämonenmaske von Angst und Zorn, und ihre geschlitzten, gelben Augen starrten etwas an, das nicht da war. Es war nicht da! Während Aurians Alptraum verblaßte, entspannte sich die große Katze plötzlich, schüttelte verwundert den Kopf, und während ihre Ohren noch immer flach an ihrem Kopf lagen, zuckte die Spitze ihres schwarzen Schwanzes hin und her. Als die bittere Woge der Reaktion auf ihren Traum sie überflutete, begann Aurian unkontrolliert zu zittern, geschwächt von ihren Wunden und zerschmettert von der lebhaften Erinnerung an Forrals gräßlichen Tod. Das, was sie gerade erlebt hatte, hatte die Narben in ihrem Herzen, die kaum zu heilen begonnen hatten, grausam aufgerissen. Unfähig, etwas dagegen zu tun, brach sie in einem Sturm hysterischen Weinens zusammen.
Sie hörte Harihn fluchen, hörte, wie er einen Diener rief, damit dieser den Arzt holte. Dann war er wieder an ihrer Seite und tätschelte ihr verlegen die Schulter, während sie immer weiter weinte. »Schsch, Lady, schsch«, versuchte er sie hilflos zu beruhigen. »Es war nur ein Traum – ein schlimmer Traum, der von dem Fieber herrührt. Ich bin hier – dein Dämon ist hier. Nichts kann dir etwas anhaben, das verspreche ich dir.«
Dann kam der Arzt. Aurian erinnerte sich vage an den zerknitterten alten Mann mit den runden Schultern, der die zerrissenen Muskeln an ihrer Wade genäht hatte, wobei er die ganze Zeit über unter dem haßerfüllten Blick Shias gezittert hatte, die sich nur mit Mühe davon abhalten konnte, dieses armselige Geschöpf anzugreifen, das ihrer Freundin solche Schmerzen bereitete. Jetzt war er trotz des komischen weißen Nachtgewandes, das er trug, ganz geschäftige Tüchtigkeit. Sein Anblick war so grotesk, daß Aurian am liebsten laut losgelacht hätte, aber sie konnte nicht aufhören zu weinen, und irgendwie vermischten sich Lachen und Schluchzen, bis sie keine Luft mehr bekam. Sie kämpfte sich aus Harihns Umarmung und umklammerte ihre bandagierten, schmerzenden Rippen. Während ihr die Tränen übers Gesicht strömten, konnte sie nur ein hilfloses Wimmern von sich geben.
Aurian hörte, wie der Arzt mißbilligend mit der Zunge schnalzte, dann wurde ihr eine Tasse zwischen die Lippen gezwungen, und hustend und spuckend würgte sie ein übel brennendes Gebräu herunter. »Tief durchatmen, Lady, wenn ich bitten darf«, gurrte der Arzt geduldig; er sprach mit ihr, als wäre sie ein kleines Kind. Dann hörte sie Shias Stimme in ihren Gedanken, vernünftig und tröstend.
»Genug, meine Freundin«, sagte die Katze, »sonst wirst du dir noch Schaden zufügen.«
Mit übermenschlicher Anstrengung bekam Aurian sich wieder unter Kontrolle, soweit jedenfalls, daß es ihr gelang, den Rest des Getränkes herunterzuschlucken. Der feste Knoten in ihrem Innern löste sich langsam, und sie konnte sich entspannen, obwohl sie immer noch zitterte, während sie sich in den Kissen zurücksinken ließ und sich über die Augen wischte.
Harihn sah sie erleichtert an. »Beim Schnitter, Lady, was hast du uns für einen Schrecken eingejagt!« sagte er.
»Unsinn!« sagte der Arzt energisch. »Es war nur das Fieber. Du warst sehr krank, Lady, und das schon seit mehreren Tagen.« Er beugte sich über sie, um ihr eine Hand auf die Stirn zu legen. »Das Fieber ist jetzt gebrochen, also dürftest du eigentlich keine schlimmen Träume mehr haben. Und es wird dich freuen, zu hören, daß dein Kind in Sicherheit ist.«
Das Kind! Das hatte sie ganz vergessen. Und er hatte von Tagen gesprochen. Und da war doch noch etwas, das sie tun sollte – etwas Dringendes –, aber die Erinnerung an Forral ließ sie nicht los, und sie fühlte sich schwach und von den Nachwirkungen ihres Traums verwirrt. O ihr Götter, dieses gräßliche Geschöpf! Aurian schauderte. »Wein?« keuchte sie und versuchte, die Erinnerung zu verdrängen.
Der Arzt lächelte. »Ich weiß, daß meine Patienten auf dem Weg der Besserung sind, wenn sie nach Wein fragen. Habt Ihr hier irgendwo Wein, Euer Hoheit?«
»Ist das auch wirklich gut für sie?« erkundigte der Prinz sich ängstlich. »Ich meine, wegen der Medikamente, die sie bekommen hat – und sie hat überhaupt nichts gegessen …«
»Nun, das läßt sich sicher
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