Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
passiert. Also muß ich gegen ihn kämpfen, ein letztes Mal noch – um deine Sicherheit und um deine Zukunft.«
Tränen strömten aus Iscaldas Augen, aber der sture Zug um ihren Mund war immer noch deutlich zu sehen. »Das ist mir egal«, flüsterte sie. »Ich würde lieber jede nur erdenkliche Demütigung von Phalihas erdulden, als zusehen zu müssen, wie er dich tötet.«
Schiannath legte die Arme um sie. »Mit ein wenig Glück«, beruhigte er sie, »wird Phalihas weder das eine noch das andere tun. Dafür werde ich schon sorgen.«
»Müssen wir da rauf?« stöhnte Aurian. »Könntest du deine Vision nicht im Tal vollziehen?« Sie stand am Fuß des Klippenpfades (wenn man diesem schmalen, trügerischen Stückchen Felsen mit der Bezeichnung Pfad nicht schon zuviel Ehre antat), der bis ganz nach oben in die Felsenspitze und zu Chiamhs Kammer der Winde führte.
Das Windauge schüttelte den Kopf. »Hier unten im Tal habe ich nicht genug Wind – und außerdem kann man für eine Vision gar nicht hoch genug sein. Ich sehe viel weiter und viel klarer da oben, wo die Luft soviel reiner ist und größere Bewegungsfreiheit hat.«
Aurian schaute die Felswand hinauf und erschauerte. Unwillkürlich stieg in ihr das schreckliche Bild von Bohans tödlichem Sturz auf. Die Welt um sie herum begann sich zu drehen, und sie fing an zu zittern. In panischer Angst klammerte sie sich an Anvars Hand. »Ich kann nicht«, flüsterte sie. »Ich schaffe es nicht da hinauf.«
»Es kann doch unmöglich die Höhe sein, die dir Sorgen macht«, versuchte Anvar sie zu ermutigen. »Also wirklich, die Felswand in Taibeth war viel höher als die hier, und der Turm des Drachenfelsens in Dhiammara auch. Die hast du beide problemlos bewältigt.« Er legte ihr tröstend den Arm um die Schulter. »Ist es die Art und Weise, wie Bohan gestorben ist, die dich so aufregt?«
Die Magusch nickte widerwillig, dankbar dafür, jetzt ihren Seelengefährten ansehen zu dürfen statt der drohenden Felswand – und noch dankbarer dafür, daß er so genau wußte, was in ihr vorging. »Du hast recht – es geht um den Aufstieg selbst«, sagte sie. »Wir haben noch nie einen so schwierigen Berg erklommen – und dann ist da natürlich die Erinnerung an das, was Bohan gestern nacht zugestoßen ist …« Plötzlich hielt sie inne, keuchte und zog Anvar mit einem erleichterten Lachen an sich. »Natürlich!« rief sie. »Ich danke dir, Anvar – du hast gerade die Lösung für mich gefunden. Wir brauchen nicht zu klettern.« Sie ließ ihre Hand in die Tasche ihres Gewandes gleiten und holte die schmale Pfeife aus geschnitzten Knochen hervor, mit der man die Himmelsleute herbeirufen konnte.
Von irgendwo hoch über ihnen ertönte ein schriller Antwortruf, gefolgt von dem dröhnenden Donnern von Schwingen. Die beiden Geflügelten flogen von ihrem luftigen Ruheplatz hoch oben irgendwo zwischen den Felsspalten des Gipfels nach unten und landeten wie ein Wirbelsturm zu Aurians Füßen.
Die beiden waren ein Paar, wie Aurian während ihres Abenteuers in der vergangenen Nacht herausgefunden hatte, als sie sie und ihre Gefährten aus dem belagerten Turm der Festung herausgeholt hatten. Ibis, der Mann, war für einen Geflügelten ziemlich groß und schlaksig, hatte weißes, an den Rändern schwarz abgesetztes Gefieder und war von ernster, bedachtsamer Natur. Falke, seine Gefährtin, war klein und gewandt, mit strahlenden Augen und braun geschecktem Gefieder. Obwohl sie häufiger lächelte als ihr Gefährte und mehr Sinn für Spiel und Spaß hatte, konnte die wilde Leidenschaft ihres Gebarens doch ein wenig erschreckend sein. Als die beiden Himmelsleute landeten, begannen sie gleichzeitig zu sprechen.
»Ihr könnt doch unmöglich schon wieder in Schwierigkeiten sein«, sagte Ibis mit besorgtem Stirnrunzeln.
»Ihr braucht Hilfe?« fragte Falke.
»Es ist zwar nicht direkt eine Notsituation, aber ich wäre euch für eure Hilfe überaus dankbar«, erklärte ihnen die Magusch. Sie zeigte auf die Felsenspitze. »Könnt ihr mich dort hinaufbringen?«
Sie konnten und taten es, indem sie Aurian, wie schon am Vorabend, bei den Armen faßten und sie zu Chiamhs Kammer der Winde flogen, wo sie sie so sanft wie eine Feder auf die flache, breite, windgepeitschte Plattform aus Stein setzten. Das Windauge folgte mit der Leichtigkeit langer Übung seinem normalen Weg und hatte schon einen Teil der Felswand hinter sich, so daß er sich bald zu ihr gesellen würde. Während die Geflügelten
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