Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
gewaltigen schwarzen Felsens, und als sie zu Anvar herumwirbelte, sah dieser, daß ihre Züge von Angst und Entsetzen verzerrt waren. Im nächsten Augenblick hätte es ihn selbst um ein Haar von den Füßen gerissen, denn über ihm tobte ein wilder Kampf, ein Wirbelwind aus Fell und Fleisch. Oben auf der Anhöhe, auf der der Thron stand, trugen zwei große Katzen einen Kampf auf Leben und Tod aus. Anvar gewann sein Gleichgewicht wieder und sprang auf Meiriel zu, die ihm jedoch auswich und sich wie Quecksilber aus der Reichweite seiner Klinge flüchtete. Als er das Schwert zu einem neuerlichen Schlag hob, stürzte die Magusch davon, dicht an den Abgrund. »Hör auf!« rief sie. Anvar erstarrte vor Entsetzen, als sie das zappelnde, wimmernde Junge hoch über ihrem Kopf schwang. »Noch einen Schritt weiter«, zischte Meiriel, »und ich werfe ihn in die Tiefe.«
Eisige Furcht kroch Anvars Rückgrat entlang. Wolfs Leben stand nun auf Messers Schneide. Was sollte er jetzt tun? Und, wo zum Kuckuck, steckte Chiamh?
»Geh weg, Anvar.« Die Stimme der Magusch war sanft und drohend. »Tritt zurück, du niedrig geborener, sterblicher Abschaum – oder ich werde dafür sorgen, daß es dir für alle Zeiten leid tut, daß du gewagt hast, dich in die Angelegenheiten der Magusch einzumischen!«
Es dauerte einen Augenblick, bis Anvar die volle Bedeutung ihrer Worte aufgegangen war – dann hielt er den Atem an. Meiriel wußte es nicht! Sie glaubte immer noch, es lediglich mit Aurians sterblichem Diener zu tun zu haben! Sie hatte keine Ahnung, daß auch er Maguschblut besaß – und die damit verbundenen Kräfte! Anvar lächelte innerlich, nahm dann seine ganze Kraft zusammen, während er sich gleichzeitig das Gehirn nach einem Zauber zermarterte – genau dem richtigen Zauber –, mit dem er Meiriel überwältigen und Wolf aus ihrer Gewalt befreien konnte. Vielleicht, wenn er sie beide aus der Zeit herausnähme …
Hinter der Magusch ertönte plötzlich das zornige Heulen einer großen Katze, gefolgt von dem schweren Aufprall eines zu Boden fallenden Körpers. Anvar sprang unwillkürlich beiseite – und in diesem winzigen, unachtsamen Augenblick war Meiriel plötzlich verschwunden. Anvar sah sich wild um und stieß einen heftigen Fluch aus, aber es hatte alles keinen Sinn. Die Magusch war nicht mehr da.
Hreeza, deren Krallen sich in einen kleinen Riß in den Felsen gebohrt hatten, kauerte sich hin, ließ sich jedoch trotz ihrer vor Anstrengung zitternden Glieder nicht in die Enge treiben; ein kalter Knoten des Unwillens hielt ihr Herz umfangen. Der Tod hatte für sie seine Schrecken verloren – dies war das zweite Mal in ebensovielen Monaten, daß sie ihm so nahe gekommen war. Aber die Tatsache, daß sie versagt hatte, machte ihr das Herz schwer.
Gristheenas Herz dagegen schwoll an vor Triumph. Schon konnte sie auf ihren Lippen den Sieg schmecken. Um sich eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen, grub sie ihre scharfen, grausam geschwungenen Krallen tief in den schwarzen Stein des Felsvorsprungs und versuchte mit aller Kraft, die alte Katze herumzudrehen. Das Erste Weibchen stieß ein tiefes, kehliges Fauchen aus. Es war kaum zu glauben, daß dieser sehnige alte Knochensack noch die Stärke aufbrachte, sich einem so gewaltigen Angriff zu widersetzen! Aber es war nur noch eine Frage der Zeit …
Da traf etwas Riesiges und Schweres Gristheena von der Seite. Plötzlich bekam sie keine Luft mehr. Sie mußte Hreeza loslassen und stürzte heftig zu Boden, als das Gewicht einer anderen Katze sie nun selbst gegen den kalten schwarzen Stein preßte. Halb betäubt schüttelte Gristheena den Kopf, öffnete die Augen – und blinzelte vor Zorn und Erstaunen. Über ihr ragte die Gestalt der ältesten und erbittertsten all ihrer Feindinnen auf.
»Ich hätte dich doch töten sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte!« fauchte Gristheena.
»Aber du hast es nicht getan.« Shias Stimme war kalt und unerbittlich wie ein Gletscher. »Du hast versagt, Gristheena – und nun hast du abermals versagt. Deine Herrschaft ist vorbei.«
Das letzte, was Gristheena sah, war das brennende Gold in Shias Augen, als diese das erste Leuchten des Sonnenaufgangs zurückwarfen. Dann schlossen sich Shias kräftige Kiefer um Gristheenas Kehle, und es wurde dunkel um sie.
Meiriel lachte leise und triumphierend auf. Es war ihr gelungen, ungesehen über die andere Seite des Hügels davonzuschlüpfen. Während des langen, ermüdenden Wartens darauf,
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