Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
vertrauten Gestalt hängen. Einen Augenblick lang konnte sie es nicht fassen. »Parric?« Sie füllte ihre Lungen und nahm Zuflucht zu dem Schlachtengebrüll, das sie von Forral gelernt hatte. »PARRIC!«
Ein Stück weiter die Straße hinunter regte sich etwas in der Menge. »Geht mir aus dem Weg, verdammt noch mal!« Maya grinste, als sie diese vertraute, gereizte Stimme hörte. »Mögen euch die Götter in Verdammnis stürzen, laßt mich durch!« Einen Augenblick später taumelten zwei stämmige Arbeiter zur Seite weg, und die gedrungene, drahtige Gestalt des Kavalleriehauptmanns kam zwischen ihnen hindurchgeschossen.
Parric blieb wie angewurzelt stehen, als er sie sah, und sein Gesicht wurde bleich vor Schreck. Dann lief er ohne ein Wort auf Maya zu und preßte sie so fest an sich, daß er ihr beinahe die Rippen brach. So blieben sie lange Zeit wortlos stehen, zu aufgewühlt von ihrem Wiedersehen, um ihre Gefühle zu artikulieren.
Der Kavalleriehauptmann teilte eine Schlafhöhle mit zwei Dutzend anderen Arbeitern, daher zogen sie sich, um ungestört sein zu können, in Licias Hütte zurück. Die Spitzenklöpplerin war in dieser Hinsicht sehr freundlich. »Wenn wir einander nicht ab und zu helfen können, sähe die Sache schlimm aus. Dann wären wir ja nicht besser als diese stahläugigen, kaltblütigen Bastarde, die sich zu unseren Herren aufgeschwungen haben.«
Maya schüttelte tadelnd den Kopf. »Licia, wenn man dich so ansieht, käme man nie auf den Gedanken, daß du solche Ausdrücke kennst.«
Die Spitzenklöpplerin errötete und zuckte mit den Achseln. »Na ja, die kannte ich bis vor kurzer Zeit auch nicht. In Nexis war ich einfach nur eine alte Jungfer; steif, ordentlich und nichtssagend – bevor ich hier raufgebracht wurde und mit diesen verkommenen Kriegern zusammenkam.«
»Na, wie dem auch sei. Jeder, der hier bei diesen Hurensöhnen von Phaerie lebt, lernt das Fluchen«, eilte Parric ihr zur Hilfe.
Da zu dieser Zeit des Abends das Essen verteilt wurde, erbot sich Licia taktvoll, Maya und Parric für eine Weile allein zu lassen, während sie die Rationen für sie alle drei holen ging. Parric erzählte der Kriegerin von Vannors irrsinnigem Verhalten und dem katastrophalen Feldzug gegen die Phaerie. Anschließend berichtete Maya von ihren Erlebnissen, seit sie Nexis vor so furchtbar langer Zeit verlassen hatte, um D’arvan ins Tal zu begleiten. Dann erzählte sie, wie sie mit Aurian zusammen wieder durch das Tor in der Zeit getreten war, und kam zu guter Letzt auf ihre und D’arvans Entführung durch den Waldfürsten zu sprechen.
Als sie fertig war, stieß Parric einen leisen Pfiff aus. »Du hast all diese Zeit als Einhorn zugebracht? Kaum zu glauben!«
»Nun, so hat es sich zugetragen«, versicherte Maya ihm. »Und jetzt frage ich mich nur, was Hellorin diesmal für D’arvan und mich auf Lager hat.« Während sie sprach, betastete sie das Kettchen um ihren Hals. »Nun ja«, fügte sie dann ein wenig energischer hinzu, »das ist m eine Geschichte. Was ich immer noch nicht begreife, ist, was dir und Vannor zugestoßen ist? Was, in Chathaks Namen, ist nur in diesen Narren gefahren, daß er den verfluchten Phaerie den Krieg erklärt hat?«
Parric schüttelte den Kopf. »Das konnte ich nie ergründen. Wirklich, Maya, man konnte es kaum einen Angriff nennen. Sie haben nur gewartet, bis wir, vollkommen erschöpft von dem langen Weg hier herauf, ankamen; dann haben sie eine Art magisches Feld um uns herum gewoben und uns aus der Luft erledigt. Sangra ist bei diesem Kampf gestorben.« Sein Gesicht verzog sich bei der Erinnerung an alten Schmerz. »Weißt du, der alte Vannor hatte immer einen gesunden Verstand. Er war früher ein guter Mann – ein Mann, den ich mochte und respektierte. Ich habe ihn gut gekannt, als wir bei den Rebellen waren, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, warum er so dumm war, die Phaerie anzugreifen. Er muß doch gewußt haben, wie viele Menschenleben ein solcher Angriff kosten würde! Und selbst wenn er es nicht wußte, es waren genug Leute da, die es ihm gesagt haben – mich und Dulsina eingeschlossen. Und du weißt doch, wieviel Einfluß sie immer auf ihn hatte. Aber diesmal nicht. Die ganze Sache hat die beiden schließlich sogar auseinandergebracht. Es war, als ob …« Er zuckte die Achseln. »Du wirst wahrscheinlich denken, ich sei übergeschnappt, Maya, aber damals kam es mir vor, als wäre er nicht mehr er selbst – der alte Vannor war vollkommen verschwunden.
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