Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Wesens. Sie schrie, schrill und stimmlos, als die Qual sie in unendlichen Spiralen durchschoß. Wieder und wieder bissen die Schlangen zu, rammten ihre mit scharfen Zähnen bewehrten Kiefer in Aurians substanzlose Gestalt und rissen mit ihren Mäulern gewaltige Bissen von ihr ab wie Nebelfetzen aus einer glitzernden Wolke.
Tief in einem anderen Berg wurde der Erzmagusch aus unruhigen Träumen geweckt.
»Eindringlinge! Wir werden angegriffen!«
»Verdammt! Was ist bloß los mit dir, Ghabal?« murmelte Miathan gereizt.
»Wach auf! Wach auf! Wir werden belagert!«
Nicht schon wieder! Der Erzmagusch fluchte leise. In letzter Zeit hatte Ghabals Wahnsinn diese Gestalt angenommen – jedes Mal, wenn ein Vogel über sie hinwegflog oder eine Brise über seine steinernen Flanken strich, witterte der Moldan sogleich Eindringlinge. »Na komm schon – wer sollte dich angreifen?« beruhigte er das Elementarwesen. »Die Xandim? Das ist doch Unfug. Sie würden es nicht wagen. Was willst du – seit die Katzen verschwunden sind, hat sich niemand außer mir näher an dich herangewagt als bis zum Feld der Steine.«
»Eindringlinge! Sie haben einen Fuß auf mein Fleisch gesetzt! Sie haben mich berührt!«
Miathan seufzte. »Na schön – ich sehe mal nach. Bist du dann zufrieden? Also, wo sind deine sogenannten Eindringlinge?«
»Auf meiner westlichen Seite – sie müssen über den Drachenschwanz gekommen sein.«
»Na schön.« Der Erzmagusch griff in ein aus der Höhlenwand herausgehauenes Regal neben seinem Bett und nahm vorsichtig und mit beiden Händen eine große Silberschatulle herunter. Dann warf er den Deckel zurück, griff hinein und holte einen schwarzen Edelstein heraus, der fast so groß war wie sein eigener Kopf. Der Stein wies keinerlei Facetten auf, wie eine schwarze Perle – nur daß er nicht den weichen Schein einer Perle besaß. Statt das Licht widerzuspiegeln, schien der Edelstein es zu absorbieren – ja tatsächlich, als der Magusch ihn aus der Schatulle zog, schien der Raum sich zu verdunkeln, als würden ausschwärmende Schatten über die Wände und aus den Ecken kriechen.
»Mußt du diesen verfluchten Stein benutzen?« fragte der Moldan scharf. »Er ist böse, voller unruhiger Geister.«
»Rede keinen Unsinn!« fuhr Miathan auf. Die kalten Juwelen – seine Augen – versprühten ein gieriges Licht, während seine knochigen Hände die weiche Oberfläche des Steins liebkosten. »Dies ist meine Schöpfung, mein kostbarster Schatz«, sagte er sanft. »Und dieser Schatz wird auch meine Rache sein!«
Vor langer Zeit hatte Miathan einen Entschluß gefaßt. Da er kein eigenes Artefakt besaß und wohl auch keine Chance hatte, eines zu erlangen, gab es nur eine Lösung – er mußte versuchen, eins zu erschaffen.
In all den zehn Jahren, die Miathan hier gewesen war, hatte seine Niederlage durch Eliseth in ihm gegärt. Obwohl es ihr bisher nicht gelungen war, seinen Aufenthaltsort zu entdecken, würde er keine Ruhe finden, solange sie frei durch die Welt streifte. Unglücklicherweise mangelte es ihm, da Eliseth immer noch den gestohlenen Kessel der Wiedergeburt besaß, an der ausreichenden magischen Kraft, sie zu besiegen, aber das würde sich bald ändern.
Dieser kühne Plan fand den ungeteilten Beifall des Moldans. »Sobald wir über solche Macht gebieten, wird die Welt vor uns auf die Knie fallen!« hatte Ghabal frohlockt. Miathan wollte ihm seine Illusionen nicht rauben – er brauchte Ghabals Hilfe bei den Kristallen, und er konnte sich die Erfahrung des Moldans bei der Speicherung von Energie in den Gitternetzen des Steins zunutze machen. Er experimentierte jetzt schon seit einigen Jahren und hatte schließlich die perfekte Methode entdeckt, wie sich die gesammelten Lebensenergien seiner Menschenopfer in diesem glatten Kristall speichern ließen. Bisher war er jedoch bei dem wichtigsten Faktor immer gescheitert: dem eigentlichen Charakter und der Intelligenz, dem Empfindungsvermögen, das alle ursprünglichen Artefakte besaßen – zumindest dachte er das. Der Moldan war da anderer Meinung. Er hatte eine starke Abneigung gegen den Stein gefaßt, die beinahe an Hysterie grenzte. Ghabal beharrte darauf, daß das Juwel von seiner Natur her böse war und erfüllt von den rachsüchtigen Geistern der Toten.
Blühender Unsinn! dachte Miathan. Den Kristall an die Brust gepreßt, legte der Erzmagusch sich wieder auf sein Lager und dankte im stillen den Xandim dafür, daß sie ihm stets duftendes Heu und
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